Breite Solidarität ist christlicher Lebensvollzug
Die Adventzeit mündet nach dem Internationalen Tag der Solidarität am 20. Dezember, ausgerufen von der UNO, in das Finale. Die eigentliche Weihnachtszeit beginnt mit dem Fest der Geburt Jesu draußen im Stall von Bethlehem. Die Katholische Aktion Österreich erinnert anlässlich des Solidaritätstages der UNO an die „Solidaritätskraft des christlichen Glaubens und an das barrierefreie Zugehörigkeitsangebot im vielfältigen Netz der KA-Gliederungen und Bewegungen“.
„Die Sehnsucht jedes Menschen begründet im Grunde drei individuelle und verbindende Bedürfnisflächen. Erstens braucht der Mensch Anerkennung und Wertschätzung. Zweitens sind eine sinnvolle Tätigkeit und lebendige Rituale für den Menschen sinnstiftend. Und drittens – nicht zuletzt – braucht der Mensch eine tiefe Zugehörigkeit und eine breite Solidarität, die sich barrierefrei darstellt und wirklich alle Menschen meint und mitnimmt in Richtung gutes Leben für alle.“ KA-Präsident Ferdinand Kaineder hat bei dieser Aussage die vielen Gruppen, Initiativen und Aktivitäten im Netzwerk der Katholischen Aktion „im Blick und sieht sie am Werk“. Beispielsweise sind die Jungschargruppen in den Pfarren Österreichs dabei, sich auf das Sternsingen der Dreikönigsaktion in Solidarität mit brasilianischen Initiativen vorzubereiten. Die Männergruppen haben im Advent ihre Aktion „Sei so frei“ in Solidarität mit Afrika durchgeführt.
Solidarität ist Kernwert kirchlicher Arbeit
Gemeinschaftlich leben gibt Halt und gehört zu den Grundvollzügen des christlich geprägten Lebens. Kaineder: „Diesem Handeln aus Solidarität wirken heute besondere Kräfte entgegen: „Als Feinde des Zusammenhaltes und der Solidarität stellen sich die derzeit eine überall voranschreitende, entgrenzende Liberalisierung, der Wettbewerb durch alle Lebensbereiche und die Konkurrenz unter dem Immer-noch billiger heraus. Genau das ist zu einer Art Ersatzreligion geworden. Besser, schneller, härter. Das unterspült täglich den Kernwert kirchlicher Arbeit: Solidarität. Auch wenn wir als kirchliche Gruppen und Einrichtungen Teile der Gesellschaft beleben, so treffen beispielsweise diese Faktoren genauso die Gewerkschaften und alle Solidarverbände.“ Es braucht einen neuen Fokus: „Das Gemeinwohl, die Idee der Commons, das Gemeinschaftliche und das Gemeinnützige muss wieder mehr in den Mittelpunkt rücken.“ Gerade in christlichen Milieus sind viele Alternativen zum Profit- und Eigennutzenwirtschaften zu finden. Denn: Nicht erst mit der Covid-Pandemie wurde klar, dass die Bildung von Gemeinschaften und Zusammengehörigkeit in Kinder-, Jugend-, Frauen-, Männer-, Familien- oder Arbeiter:innengruppen einem dauernden Wandel unterliegt.
Kehrseite der Digitalisierung nicht übersehen
Als Kommunikationslotse und Autor sieht Kaineder: Auch im Zuge der Digitalisierung werden „gängige Wirklichkeiten informatisiert und kurzlebiger“. Die Schnelligkeit und Komplexität des individuellen Alltags ermöglichen zwar viele Kontakte, aber nicht diese tiefe und tragende Verbundenheit. Gereiztheit hat Gelassenheit abgelöst. Informationen ersetzen Wirklichkeiten, Meinungen Tatsachen. Bisher stabil geglaubte Institutionen kommen immer mehr ins Wanken und überall stellt sich die Frage nach der Identität neu: Wer sind wir? Und: Wo gehöre ich dazu, möchte ich dazu gehören? „Menschen sind auf der Suche nach Zugehörigkeit und mehr als 60% (IMAS-Umfrage) fühlt sich dabei orientierungslos. Gerade die weltoffenen und vielfältig engagierten Gruppen in der KA-Welt sind offen für diese Menschen auf der Suche.“
Weihnachten offenbart Solidarkraft
Gerade die Geschichte Jesu ist ein einziger Fingerzeig in Richtung Solidarität. Wenn die UNO mit ihrem Tag der Solidarität aus gesellschaftlichen, humanistischen Gründen auf den Wert der Solidarität pocht, so gehen christlich geprägte Menschen, die sich in der Jesusbewegung daheim sehen, in dieselbe Richtung: „Jesus wurde in seiner göttlichen Menschwerdung durch unsolidarisches Verhalten hinausgespült in den Stall der Hirten, die ihm Solidarität schenkten. Jesus wurde durch unsolidarische und gewalttätige Menschen ans Kreuz gebracht. Jesus hat damit einen neuen Spirit in die Seinen und die Welt gebracht, den wir zu Pfingsten feiern: solidarische Geschwisterlichkeit. Der Initialzünder ist das Weihnachtsfest.“
Singen und in Bewegung sein
Es gibt kaum ein Gewinn bringenderes und emotionaleres Erlebnis, als einmal in einem größeren Zusammenhang Solidarität, den tiefen Zusammenhalt gespürt, erlebt zu haben, einmal gemeinsam gegen etwas aufgestanden zu sein, sich zur Wehr gesetzt zu haben oder etwas erreicht und gefeiert zu haben. Es bewegt sich etwas, wenn wir zusammenstehen. „Auch wenn wir heute über viele digitale Endgeräte verbunden werden, so kommen genau diese Erlebnisse heute zu kurz: „Das Digitale kennt keine Gänsehaut.“ Gerade das gemeinsame Singen oder die gemeinsame Bewegung beim Weihnachtsgang sind Dinge, die durch keine „Geräte“ vermittelt werden können.
Gesicherter Rahmen hilft
Den Menschen ist es wichtig, in der Familie, am Arbeitsplatz und anderen Lebensfeldern geschützt zu sein, auch vor Demütigungen. Wenn heute von Sicherheit die Rede ist, dann meist nur mehr von öffentlicher Sicherheit. Es geht aber genauso um die Sicherheit des Arbeitsplatzes, um die Sicherheit durch die Gesundheitsversorgung oder im Alter. Gerade eine langfristige Lebensperspektive braucht einen gesicherten Rahmen. Dieser Rahmen wird gerade bewusst von einer liberalen Marktordnung aufgeweicht, dort und da sogar aufgelöst. Wenn wir an die Arbeitswelt denken, dann geht es letztendlich darum, in Würde eine wertgeschätzte Arbeit beitragen zu können. Zu viele Menschen müssen heute wieder außerhalb eines gesicherten Rahmens in prekären Verhältnissen arbeiten. „Weihnachten ist eine gute Gelegenheit, ungeschminkt die unsolidarischen und ausgrenzenden Züge unserer gesellschaftlichen Entwicklungen vor die Krippe zu legen und dafür aus der heilsamen Menschwerdung Gottes die Kräfte der Solidarisierung und Zugehörigkeit zu stärken.“ (17.12.2021)