Heutiger "ernster Generation" Zuversicht vermitteln
Die Welt der heutigen "Millennials" trägt "katastrophische Züge", die Identitätsfindung der jungen Generation ist auch geprägt von Klimaveränderung und Corona-Pandemie. In den Sorgen, Nöten, Einsichten und Freuden der Jugend begegne ihm ein Ruf nach Metanoia", nach innerer Umkehr, sagte der Salzburger Systematische Theologe Martin Dürnberger laut "Kathpress" am zweiten Halbtag der Österreichischen Pastoraltagung. Dieser heutigen "ernsten Generation", wie die deutsche Sinus-Jugendstudie 2020 die Millennials umschrieb, Gottes Zuwendung zu vermitteln, sei wichtig. Dürnberger plädierte dafür, aus christlichem Vertrauen heraus eine Haltung heiterer Gelassenheit zu kultivieren, wie der "Jugendapostel" Don Bosco (1815-1888) dies mit seinem Motto "Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen" tat.
Dürnberger äußerte sich im Rahmen der heuer am Donnerstag und Freitag online durchgeführten Österreichischen Pastoraltagung zum Thema Jugendseelsorge ("Ihr seid das Jetzt Gottes"), an der mehr als 300 Interessierte aus dem In- und Ausland teilnehmen. In seinem Vortrag über "Identitätsarbeit junger Menschen zwischen Selbst-Sein, Anders-Sein und Besser-Sein" unterstrich der Professor für Fundamentaltheologie und Ökumenische Theologie an der Uni Salzburg die Notwendigkeit, im kirchlichen Rahmen nach dem "Jetzt der Jugend" zu fragen, nach den Chancen der Kirche für die Jugend und auch danach, was Kirche von Jugendlichen lernen kann.
Deutschrap-Songs bilden Realität ab
Als "Lernfeld" wählte Dürnberger die Popkultur. Anhand aktueller Deutschrap-Songs zeigte er Themen von um die Jahrtausendwende geborenen Jugendlichen auf und erkannte - wie er sagte - eine Welt, die sich heute oft "katastrophisch" darstelle und unter Vorzeichen wie Performance, Konkurrenz, Kompromisslosigkeit und Klima-Zynismus stehe. Freilich, "die Jugend" gebe es nicht, wie auch die Sinus-Jugendstudie hinweise. Aber es gebe Gemeinsamkeiten, so der Theologe, allgemeine Leitfäden, Wahrnehmungen und Erfahrungen der unter 18-Jährigen. "Jugendliche heute nehmen sehr klar die Dialektik des Leistungsprinzips wahr, der Ernsthaftigkeit, ... Jugendliche heute sind keine Spaßgeneration."
Mit Papst Franziskus sind Christinnen und Christen als "das Jetzt Gottes" zu verstehen, "das in Christus offenbar wurde", erklärte Dürnberger. Dies gelte auch dann, wenn man noch nicht weiß, wohin man will und wie es weitergeht. Und das passe auch zur "verbeulten Kirche", der Franziskus den Vorzug gegenüber einer weltabgewandten gibt.
Im anschließenden virtuellen Austausch mit in der Jugendpastoral in Österreich Tätigen wurden Jugendliche mit Zuschreibungen wie Zuverlässigkeit, Treue, Verantwortungsgefühl bedacht, mit dem Hochhalten von Freundschaften, Umweltschutz, aber auch mit Angst vor Beziehungsverlust, Zukunftsängsten, Depressionen und der Sorge, den eigenen Platz in der Welt nicht zu finden. Wichtig seien Angebote an sie, die Freiraum bieten und Beziehungen fördern - Möglichkeiten, wo Jugendliche Angenommen-Sein erfahren, so der Tenor.
"Berufung" weit denken
Das Thema Berufung wird im kirchlichen Kontext oft verengt auf Klerus und Ordensleben verstanden - anders als im Papstschreiben "Christus vivit", das Franziskus im Anschluss an die Jugendsynode in Rom veröffentlichte. Darauf hat Katharina Karl, Professorin für Pastoraltheologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, in ihrem Vortrag am Donnerstagnachmittag hingewiesen. "Christus will, dass Du lebendig bist", so lautete der Titel ihrer Ausführungen und so könnte auch Begleitung dahingehend aussehen, die eigene Berufung zu finden und zu leben.
Schon das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) habe den Gedanken der Taufberufung gestärkt und darauf hingewiesen, dass alle Christen durch dieses erste Sakrament berufen sind, erinnerte Karl. Auch dazu befragte Jugendliche selbst hätten geantwortet, berufen bedeute "ganz mit mir im Einklang" zu sein. Berufung sei jedenfalls prozesshaft zu verstehen, sagte die Pastoraltheologin; die seelsorgliche Begleitung dabei solle "zum nächsten Schritt der Lebendigkeit" führen, wobei "christliche Deutungskompetenz" im Blick auf Lebensverläufe einzubringen sei.
Auch mit Scheitern zurechtkommen
Als eine Möglichkeit, berufungspastorale Angebote zu machen, nannte Karl die für viele junge Menschen virulente Frage der Berufsentscheidung, die bei vielen auch Raum für religiöse Fragen rund um ein gelingendes Leben stelle. Positiv hob sie auch die "Fuckup Nights" der Citypastoral in Salzburg hervor. Diese setzten den Hinweis aus "Christus vivit" um, dass zu einem Leben in Fülle auch ein guter Umgang mit Scheitern dazugehört.
Dort heißt es in Abschnitt 272, "die harten Grenzen der Wirklichkeit" hinderten junge Menschen oft dabei, ihre Tatkraft und Talente einzusetzen. "Es stimmt, dass du nicht leben kannst, ohne zu arbeiten, und dass du manchmal das annehmen musst, was du findest", wandte sich der Papst 2019 an junge Katholiken. "Doch darfst du nie deine Träume aufgeben, nie eine Berufung endgültig begraben, dich nie geschlagen geben. Suche immer weiter, wie du zumindest teilweise oder unvollständig das leben kannst, was du als eine echte Berufung erkannt hast."
Eine Frage an die Eichstätter Pastoraltheologin aus dem Online-Chat bezog sich auf die Berufung von Frauen zu geistlichen Ämtern oder von sexuellen Minderheiten zu einer ihnen gemäßen Lebens- und Liebensweise. Prof. Karl räumte hier einen Widerspruch zu einem offen verstandenen Berufungsbegriff ein. Hier werde oft behauptet, die Weltkirche sei noch nicht so weit, so die Theologin. Sie mache die Erfahrung, dass die Themen Frauen und Sexualität sehr wohl auf weltkirchlicher Ebene bewegten.
In einem für die Pastoraltagung erstellten Podcast berichtet Lisa Hermanns von der Katholischen Jugend Österreich (KJÖ) über das Projekt "72 Stunden ohne Kompromiss", der größten Jugendsozialaktion Österreichs (nachzuhören hier)
(Info zum Programm der Pastoraltagung: www.pastoral.at)
(jop/14.1.2022)