Im Fokus der KABÖ: Care- und Covidkrise
Die Bundeskonferenz der Katholischen Arbeitnehmer:innen-Bewegung Österreichs tagte am 11./12.3.2022 im Bildungshaus der Elisabethinen am Freinberg in Linz. Themenschwerpunkt waren die Auseinandersetzung mit der bezahlten und unbezahlten Sorgearbeit und die nötigen Konsequenzen aus den Auswirkungen der Covid-Krise. Mit Diözesanbischof Manfred Scheuer wurden aktuelle Themen wie notwendige Friedensbemühungen der Kirchen, Care/Sorgearbeit, Menschenwürde u. Arbeitswelt, sowie die unverzichtbare Unterstützung ehrenamtlich Engagierter durch ausreichend hauptamtliche Ressourcen erörtert.
Lernerfahrungen aus der Covid-Krise – damit Frauen nicht wieder die Verliererinnen sind
„Warum wir über bezahlte und unbezahlte Care-Arbeit reden sollten“ legte die Ökonomin Katharina Mader von der Arbeiterkammer Wien in ihrem Referat anhand vielfältiger Analysen der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 und der gegenwärtigen Covid-19 Pandemie offen.
Untersuchungen zur letzten Wirtschaftskrise 2008 bewiesen einmal mehr, dass Frauen zu den Verliererinnen auf allen Ebenen zählten. Die Hoffnung, dass Krisen Lernerfahrungen für eine zukunftsweisende Frauenpolitik ermöglichten, wurde damals bitter enttäuscht, daher ist es wichtig, aus der gegenwärtigen Covid-Krise Lehren zu ziehen, die nicht weiter eine Politik forcieren, in denen wieder Frauen die Verliererinnen sind.
Sekundäreffekte der Krise: Sparmaßnahmen, die vor allem Frauen treffen
Wenn auch zunächst vor allem Männer von mehr Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit betroffen waren und typische Frauenberufe – vor allem im Dienstleistungsbereich – sich als deutlich krisenresistenter herausstellten, so trafen so genannte Sekundäreffekte der Krise, gemeint sind damit einschneidende Sparmaßnahmen, Frauen wesentlich schlimmer als Männer.
In der gegenwärtigen Covid-Krise bleiben Themen relevant, die bislang zu Lasten der Frauen gelöst wurden:
- Vereinbarkeitsfragen: Wer wird in Kurzarbeit geschickt? Wer arbeitet im HomeOffice? Wer wird oder bleibt erwerbsarbeitslos? Wer nimmt Sonderbetreuungszeiten in Anspruch?
- Sparmaßnahmen:
Wer war unsichtbar und fällt daher um Beförderung oder Lohnerhöhung um? Welche Tätigkeiten übernehmen Frauen, weil sich der Haushalt ein Zukaufen bestimmter Dienstleistungen für Pflege, Kinderbetreuung, Reinigung nicht mehr leisten kann?
- Was tun Politik und Wirtschaft dagegen, dass Gleichstellung in Krisenzeiten als „Luxusproblem“ betitelt wird, dem man sich wieder widmen werde, wenn die Zeiten besser sind?
- Wo bleibt die notwendige Finanzierung von CareArbeiten durch den Staat? Wo bleibt die tatsächliche Umverteilung zwischen den Geschlechtern (Stichwort: "Das Private ist politisch")?
COVID-19 Pandemie & soziale Ungleichheiten - Zahlen.Daten.Fakten
COVID-19 Pandemie und Lockdown mit Ausgangsbeschränkungen, aber auch außergewöhnlichen Regulierungen im Zuge der Krise hatten gravierende Auswirkungen:
- Die Gesundheitskrise wurde auch zu einer Wirtschaftskrise und einer sozialen Krise.
- Wir verzeichneten in Österreich die höchsten Arbeitslosenquoten der Zweiten Republik (~600.000 zu Spitzenzeiten), der Anstieg der Arbeitslosigkeit traf zu 85% die Frauen.
- Noch nie waren so viele Menschen in Kurzarbeit: 1,3 Millionen Menschen im Mai 2020, im April 2009 waren es im Vergleich knapp 40.000 Menschen.
- Ungleichheiten wurden uns noch nie so stark vor Augen geführt:
-> Gravierende Unterschiede bei Arbeitslosenzahlen nach Bildungsabschluss: Akademiker:innen +25%, bei Personen mit maximal Pflichtschulabschluss oder Lehrausbildung +68%, erstmals in einer Wirtschaftskrise stiegen außerdem die Arbeitslosen-Zahlen von Frauen stärker als jene der Männer.
-> Das unterste 1/5 der Einkommensverteilung konnte defacto nicht, oberstes 1/5 zu über 90% im Home-Office arbeiten.
-> Die Frage von Systemrelevanz wurde ganz neu gestellt - 2009 waren es die Banken.
-> Ausgenommen von Kurzarbeit und nicht in den Statistiken erfasst: geringfügig Beschäftigte: 377.413 in Österreich, die meisten zw. 20 und 29 Jahren, und diese sind überwiegend weiblich!
(Stand 02/2020)
Wege zur Existenzsicherung aller
Im Folgenden Ergebnisse und Forderungen aus der Debatte im Plenum:
- Genderbudgeting ist seit 2009 auf Verfassungsebene festgeschrieben – es muss jetzt angewendet werden!
- In kritische Infrastruktur (Pflege, Kinderbetreuung, Versorgung,…) muss genügend finanzielle Ressource fließen, damit geschlechtergerechte Strukturen überhaupt zustande kommen.
- Care – Arbeit braucht ausreichend öffentliche Finanzierung. Das bedeutet konkret: anständige und gut bezahlte Arbeitsplätze.
Gute Sorgearbeit ist kein individuelles Problem sondern ein strukturelles, und muss daher politisch gelöst werden.
- Es braucht Arbeitszeitverkürzungen auf allen Ebenen: sie ist eine Vorbedingung, braucht aber begleitete Maßnahmen. Allein dadurch passiert noch keine tatsächliche Umverteilung der unbezahlten Arbeit.
- Der Arbeitsbegriff ist stark auf Produktionsarbeit beschränkt. Dienstleistungs- und Care-Sektoren müssen gewerkschaftlich endlich gleichrangig vertreten werden.
- Investitionen im Care-Sektor bringen Mehrwert, weil sie Folgewirkungen haben. Negativeffekte mit Folgekosten (gesellschaftliche Reparaturarbeiten) werden vermieden; etwa die Armutsgefährdung von Frauen und Kindern.
- Der Beschäftigungseffekt von Investitionen im Care-Sektor ist um 60% höher als im Bau-Sektor.
- Für jeden öffentlich investierten Euro in der Langzeitpflege kommt es zu einem Rückfluss von 70% für die öffentliche Hand durch Steuern und Sozialversicherungsabgaben (WIFO-Analyse).
Investitionen im Care-Bereich lohnen sich also volkswirtschaftlich. Daher bedarf es in Österreich einer Aufstockung der Mittel bzw. Investitionen im Sozialbereich (Pflege, Betreuung, Versorgung, Bildung) in mehrfacher Milliardenhöhe.
Ein umfassendes Gesamtpaket hat das Netzwerk „Mehr für CARE!“ entwickelt (https://mehr-fuer-care.at).
Zum Thema siehe auch Beitrag von Katharina Mader in: ZeitZeichen, Magazin der KABÖ, 4/2021, S. 6 (www.kaboe.at/site/oesterreich/zeitzeichen)
Themen und Veranstaltungen der KABÖ 2022
Neuwahl der Bundesleitung für die Periode 2022-2025
Vorsitzende: Maga. Anna Wall-Strasser
Stv. Vorsitzender: Philipp Kuhlmann, Reinhold Grausam bis Herbst 2022, dann Maga. Karin Liebenwein
Bundesseelsorger: Mag. Karl Immervoll
Generalsekretärin: Maga. Gabriele Kienesberger
Die KABÖ beteiligt sich am Synodalen Weg und erstellt dafür ein Dossier „Arbeit und Soziale Fairness“.
Schwerpunkt des Arbeitsjahres ist seit der Herbstkonferenz 2021 die Frage der Existenzsicherung und des Grundeinkommens, auch als Aspekt der Teilhabe an der Gesellschaft.
Daher lädt die KABÖ in Kooperation mit Instituten der Universitäten Wien und Salzburg, NGOs, sowie der AKNOE zum Symposion "Wege zur sozialen Teilhabe"
Erfahrungen von Jobgarantie bis Grundeinkommen", Donnerstag 23. Juni 2022, 10 - 17 Uhr, Arbeitnehmer:innenzentrum St. Pölten
Ein Buch, das sehr überraschend ist:
Andreas Exner, Ökonomien der Gabe. Mandelbaum Verlag, 2021
Überraschend deshalb, weil es eine großartige Darstellung der Rolle der katholischen Soziallehre an der Entwicklung einer solidarischen Ökonomie ist. Ein spannendes und fundiertes Werk zur Katholischen Soziallehre samt notwendiger Ansätze für ein anderes Wirtschaften.
Das Buch wird am 21. Oktober in Wien, Stephanisaal, Stephansplatz 3, präsentiert.
Im Herbst startet auch wieder ein Lehrgang der KAB-Ausbildung hingehen, zu dem wir neben KAB-Aktivist:innen und Betriebsseelsorger:innen auch Mitarbeiter:innen in der Pfarrpastoral, vor allem dort, wo es Industrie gibt, einladen.
Die KABÖ ist auch Bündnispartnerin bei den Volksbegehren Arbeitslosengeld rauf! und Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens, deren Eintragungswoche vom 2.-9. Mai 2022 ist.
Der Austausch auf Europaebene fand am 12./13.2. bei einer Online-Tagung zum Thema „Menschenwürdig statt prekär – wertvoll arbeiten in Europa“, mit den Aspekten Prekäre Arbeitsbedingungen, Pflege/24h Betreuer:innen und Bedingungsloses Grundeinkommen, großen Anklang.
Der arbeitsfreie Sonntag gehört in Oberösterreich seit 25 Jahren zum „Kerngeschäft“ der KAB. Daher wird am 17.10. das Jubiläum der oö. Sonntagsallianz in Linz groß gefeiert.
Mit neuen T-Shirts legen die KABler:innen sichtbar Zeugnis ab für diesen religiösen und gesellschaftliche wertvollen Einsatz.
(eo/15.3.2022)