„Aktuelle Krisen auch durch spirituellen Wandel begegnen“
Die gegenwärtige Zeit tiefgreifender Unsicherheiten und eines tiefgreifenden Wandels stellt eine umfassende spirituelle Herausforderung dar. „Wir werden die Krisen und Herausforderungen unserer Zeit nicht meistern können, ohne neue bzw. erneuerte Formen von Spiritualität und Religiosität zu entwickeln“, bekräftigte Ferdinand Kaineder, Präsident der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ), in einem Interview für die Sendereihe „Im Blickpunkt – Soziales und Bildung“, die im Sender „Freies Radio Freistadt“ und im Freistädter „DORFTV“ ausgestrahlt wurden.
Gerade im Blick auf die Klima- und Umweltkrise brauche es einen Wandel auf mehreren Ebenen, so Kaineder: Die Politik müsse einen klaren Rahmen vorgeben, in dem sich das Bewusstsein von der Zerbrechlichkeit des Lebens auf der Erde in ihrer jetzigen Form widerspiegelt. Nötig sei aber darüber hinaus ein Wandel auf der persönlichen Ebene, hin zu einer Haltung einer neuen Genügsamkeit. Damit die Menschen hier mitmachen, „darf man sie nicht als Konsumenten betrachten, denen man ein bisschen Verzicht lehrt“. Es brauche ein Bewusstsein, dass „alles mit allem verbunden ist“, wie auch Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato si“ hervorhebt.
„Religiosität und Spiritualität können helfen, mitweltgerecht zu leben“, sagt der KAÖ-Präsident. Man könne auch in genügsamer Weise das Leben genießen und Glück finden; so sei etwa die Möglichkeit, öffentliche Verkehrsmittel benutzen zu können, „Wohlstand“. Kaineder: „Es gibt ein anderes Leben, das ist einfach, gemeinsam und wach.“ Wobei wach die Frage beinhalte: „Was bewirkt mein Lebensstil?“
Blick auf die jungen Menschen gibt Hoffnung
Dabei sei für „der Blick auf die jungen Menschen hoffnungsvoll“. Immer mehr aus der jungen Generation entdeckten die Vorteile eines nachhaltig gestalteten Lebens. Es gelte, dort hin zu schauen, wo Alternativen schon gelebt werden.
Ein „spirituelles Schlüsselerlebnis“ stellt für Kaineder ein Osterfest dar, das er als Jugendlicher gemeinsam mit rund 100 anderen Jugendlichen gefeiert hat. Dabei sei eine Osterkerze in der Mitte gestanden, und die Teilnehmer durften um diese Osterkerze herum noch eigene Kerzen aufstellen. Die dabei entstehende Wärme habe die Osterkerze zum Neigen gebracht. „Etwas, das fest, starr ist, kann sich durch viele kleine Beiträge, den Einsatz vieler, verflüssigen.“ Dieses Bild stehe auch für sein Engagement in der Katholischen Aktion: „In der KA bringen sich viele Menschen für das ein, wofür sie brennen, um in Kirche und Gesellschaft etwas zu verflüssigen.“
Die KA arbeite zum einen in Gruppen, es gehe um Gemeinschaft und Zugehörigkeit; darüber hinaus aber auch um Anwaltschaft für, auch international, für Solidarität, die Rechte von Kinder, Frauen und sozial Benachteiligte, für Umweltschutz, Frieden und eine neue Leitungskultur in der Kirche. Ein Anliegen der KA sei auch, den Polarisierungen in der eigenen Gesellschaft entgegenzuwirken. „Wie ist in einer liberalen Demokratie ein friedvolles Leben möglich? Es fällt vielen heute leichter zu sagen ‚I am‘ als ‚we are‘“, so der KAÖ-Präsident. Es gehe nicht darum, „Gräben zuschütten“, das würde Unterschiede verdecken, sondern darum, Brücken zueinander zu schlagen, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. „Individualität, als Person wahrgenommen werden, ist auch die christliche Sichtweise auf den Menschen, heute werden aber verbindende Elemente vernachlässigt“, stellt Kaineder fest, der in dem Interview auch ausführlich über seine Leidenschaft für das Pilgern und die vielen positiven Erfahrungen und Effekte dieser Form des Unterwegsseins spricht.
Das Video des Gesprächs finden sie hier, das Audio hier.
(jp/11.4.2022)