Das Leben will in Gerechtigkeit und Frieden mit allen leben
Beim „Nachtdurchwandern“ der Katholischen Männerbewegung (KMB) von St. Florian nach St. Marien über 22 km von Karfreitag auf Karsamstag Nacht gestaltete KAÖ-Präsident Ferdinand Kaineder eine nächtliche Statio zum Thema "Ohnmacht aushalten":
"Der Karfreitag hat nach dem gemeinschaftlichen Gründonnerstag eine lebensbedrohliche Dynamik in sich. Konkrete Menschen lassen sich beim Abendmahl mit Jesus bis in die tiefe Erinnerung hinein zusammenschweißen. Füße werden gewaschen, nicht Köpfe. Die bedingungslose Diensthaltung ist der Kirche so mit auf den Weg gegeben. Brot und Wein werden zum Gedächtnis daran die Jahrhunderte prägen. Brot brechen und Freude teilen. So ist es gemeint. Aber: Der Ernst der Lage ist damals wie heute unmittelbar spürbar. Es war damals grauslich und es geht heute auf der Weltkugel gruselig zu. Um das Ende von Krieg und Gewalt an 30 verschiedenen Orten auf der Weltkugel wurde beispielsweise bei den europäischen Sozialtagen in Bratislava gebetet. Alle Medienbilder kommen derzeit aus der Ukraine. Da gibt es 29 weitere Karfreitage, sinnloses Sterben durch die Gewalt von Menschen an Menschen. Ein Blick in die Geschichte lässt Ohnmacht aufkommen. Wenn ein Mensch gestorben ist, breitet sich fassungslose Stille aus, wutgetränkte Schreie gehen in den Himmel, und das Gefühl der Wertlosigkeit menschlichen Lebens steht im Raum, lässt uns fast apathisch dahintreiben in der Komfortzone der Weltkugel und nimmt uns irgendwie jegliche Hoffnung. Und das sollen wir aushalten?
Ostern geschieht heute spürbarer und wahrnehmbarer „am Weg nach Emmaus“. Da gehen zwei Jünger ihren Weg zurück in ihr Dorf, frustriert, down, hoffnungslos, „ge- und ent-täuscht“, aber doch geöffnet für den Fremden, der sich am Weg dazugesellt, mitgeht. Lange Gespräche folgen, Erklärungen der Welt aus der Perspektive „das musste so kommen und es geht trotzdem oder gerade deswegen weiter“. Sie kehren ein, nehmen Platz, Brot und Wein am Tisch. Beim Erinnerungs- und Segensgebet geht ihnen ein Licht auf, fällt es ihnen wie Schuppen von den Augen. Ihr Frust ist der Freude gewichen. Sie springen auf und wollen bezeugen, nicht nur glauben: Jesus ist da, mitten unter uns, er lebt, hat sich aus dem Tod erhoben, Gewalt und Terror überwunden.
Egal wie viel Vernichtung im Raum steht und wie viel Wertvolles gerade verloren geht, wir Menschen sind ermächtigt, aus den Trümmern aufzustehen und unser Bestes für einen Neuanfang zu geben, gemeinsam, im Auftrag Jesu, in seiner Spur, die er gegangen ist. Für uns heißt es: Den Stein vom Grab wegwälzen so wie die Angst und Trauer vom eigenen Herzen. Dazu sind wir tagtäglich aufgerufen. Am Karfreitag erinnert die weit ausgebreitete Leidensgeschichte Jesu an dieses desaströse Ereignis damals und wir denken an die vielen Menschen, die heute unter Gewalt, Terror und Unterdrückung in verschiedensten Formen leiden, zu Tode kommen, oft unbemerkt, ohne Wahrnehmung. Wie jedes Jahr erschrecken wir vor dem Ausmaß der menschlichen Gewalt, die einem Unschuldigen am Weg zum Kreuz und am Kreuz selber angetan wird. Und wie jedes Jahr hoffen wir, dass die Ohnmacht der Friedfertigen und Gewaltfreien nicht im Grab endet. Dafür gehen wir, in diesen nächtlichen Stunden, durchwandern die ganze Nacht, loten die Dunkelheiten des Lebens aus, um am Morgen das zu erahnen, was wir mit Aufstehen, Auferstehen und Auferweckung feiern. Das Leben will leben, in Gerechtigkeit und Frieden mit allen.
Nähere Infos zum „Nachtdurchwandern"
(jp/16.4.2022)