"Wir werden zwar weniger, aber..."
Das PräsidentInnen-Team der KAÖ hat sich vorgenommen, bewusst Stimmen von außerhalb der Kirche zu hören, die mit ihren Sichtweisen helfen, den Weg der KA in die Zukunft zu finden. Dazu sollen "Gespräche, die hinhören" dienen. Ein erstes derartiges Gespräch war eine Zoom-Konferenz mit dem Grazer Religionssoziologen Franz Höllinger. Sein Fazit: Die Idee der Volkskirche loslassen und die eigene Energie zielgerichtet einsetzen.
Die Sicht des Soziologen Höllinger, der sich mit Entwicklung von Religiosität weltweit beschäftigt, ist zunächst für die heutigen Aktiven entlastend: dass die europäischen Kirchen an Plausibilität und Bedeutung verloren haben, hat Ursachen, die bis in die Reformationszeit zurückreichen. Die Aufklärung hat Religiosität entsinnlicht, Staatskirchen haben Religion bürokratisiert, sozial unglaubwürdiges Handeln hat Vertrauen verspielt. Das macht es schwer, Religion und religiöse Organisationen attraktiv zu machen. Es liegt also nicht am ungenügenden Einsatz der aktiven KatholikInnen. Tröstlich, wenn auch ernüchternd.
Der nüchterne Blick auf die Fakten macht aber auch Chancen sichtbar, weil er verdeutlicht, wo es sich lohnt Energie einzusetzen und wo nicht. Höllinger sieht drei große Gruppen in der Bevölkerung: 20 bis 30 Prozent haben keine religiösen Bedürfnisse, sie fallen als Adressaten weg. Die zweite Gruppe sucht Spiritualität, findet sie aber in alternativen Angeboten, die von Yoga bis zu alternativer Medizin reicht. Die dritte Gruppe ist kirchlich angebunden. Sie darf aber nicht verwechselt werden mit den 60 Prozent der Menschen, die Kirchenmitglieder sind, sondern liegt eher bei den rund 20 Prozent, die heute kirchliche Angebote wiederkehrend wahrnehmen oder aktiv mitarbeiten. Generell wird Mitgliedschaft in den Hintergrund treten und angebotsbezogene Teilhabe wichtiger werden. Die Chance liegt also im Überschneidungsbereich der kirchlichen und spirituell orientierten Gruppen.
Katharina Renner, Vizepräsidentin der KAÖ, wollte wissen, was eigentlich die Soziologen unter einem religiösen Grundbedürfnis verstehen? Für Höllinger geht es dabei sowohl um die sehr individuelle Gott- und Sinnsuche, als auch um Gemeinschaft und Begegnung und um Hilfe in schwierigen Lebenssituationen. In all diesen Bereichen gibt es Konkurrenz, die zu einem Funktionsverlust der kirchlichen Angebote geführt haben.
"Attraktive Angebote machen"
Brigitte Knell und Ferdinand Kaineder, Vizepräsidentin und Präsident der KAÖ, stellten in der Diskussion auf die Qualität der Angebote ab: Können sie Kraft entfalten und magnetisch wirken? Aus Sicht von Höllinger ist das ganz klar der Fall. Anziehende Personen und gute Atmosphäre sind entscheidend. Attraktive Angebote machen Türen auf. Interessant dabei: die Kirchen in Staaten ohne Kirchenbeitrag oder -steuer tun sich dabei leichter, weil sie schon lange flexibler sein müssen.
Eine interessante Überlegung stellte Renner zu Ende des Gesprächs an: Wenn Kirche morgen nicht mehr existieren würde - was würde den Menschen abgehen? Für Höllinger würde das religiöse Bedürfnis vieler Menschen damit heimatlos werden, ebenso ihr Wunsch nach Gemeinschaft.
Fazit: für diese Menschen lohnt sich die Arbeit der Katholischen Aktion!
Kontakt:
Mag. Ferdinand Kaineder, Präsident der Katholischen Aktion Österreich
Tel.: 0699 1503 2847
Hinweis: Kaineder wird am 102. Deutschen Katholikentag vom 25. bis 29. Mai in Stuttgart teilnehmen und ist für Medienanfragen via Mobiltelefon erreichbar.
(jp/12.5.2022)