"Dieser Krieg ist - wie jeder Krieg - ein Elend"
"Die Situation ist völlig unerwartet über uns hereingebrochen: Wir dachten eigentlich, wir haben ein ruhiges Frühjahr vor uns," begann Katharina Renner, Vizepräsidentin der KAÖ und Leiterin der Ukraine-Hilfe der Pfarr-Caritas der Erzdiözese Wien, ihren Beitrag beim Medienempfang von Kardinal Schönborn in Wien (8.6.2022). "Am 25. Februar habe ich mit Hryhoriy telefoniert, einem Caritas Kollegen aus Kiew. Er war im Herbst 2019 in Wien zu Besuch. Wir planten unseren Gegenbesuch - dem kam Corona zuvor, und jetzt, nun ja. - Das Telefonat war ein Bericht aus einer anderen Welt. Seitdem haben wir nicht mehr gesprochen. Ich sehe ihn allerdings immer wieder auf Fotos über Facebook, wie er Lebensmittel verteilt, wie er unterwegs ist und schaut, wie sich die Hilfe am besten koordinieren lässt."
Willkommenshaltung
Renner schilderte die bisherigen Hilfsmaßnahmen. Derzeit werden weiterhin Wohnraum, Sach- und Geldspenden gebraucht. Helfen kann auch "Willkommenshaltung und Verständnis für ein Verhalten, das man vielleicht erst einmal als unfreundlich empfindet, das aber aus der Fluchtsituation erwachsen ist."
So schnell wie möglich nach Hause
Viele Ukrainer:innen kommen nach Österreich. "Die, die kommen, sind erschöpft, traumatisiert und traurig. Im Unterschied zu vielen anderen Migrant:innen ist Österreich nicht der Ort, wo sie sich etwas aufbauen möchten nach Jahren der Verfolgung. Sie möchten eigentlich wieder zurück, so schnell wie möglich. Dazu kommt, dass der größte Teil Frauen mit kleinen Kindern sind und besonders vulnerable Gruppen, wie Menschen mit Behinderung."
Bericht der kathpress (8.6.2022):
Schönborn-Medienempfang im Zeichen der Solidarität mit der Ukraine
Wiener Erzbischof: Engagement für die von den Kriegshandlungen und seinen Konsequenzen Betroffenen auch weiter dringend gefragt - Ostkirchen-Generalvikar Kolasa: "Noch nie dagewesene Zwangsvertreibung von Millionen von Menschen"
Im Zeichen der Solidarität mit der Ukraine ist am Mittwochabend der Medienempfang von Kardinal Christoph Schönborn gestanden. Der schon über 100 Tage lang andauernde Krieg in der Ukraine, die nur 400 Kilometer von Österreich beginne, sei "sinnlos und wahnwitzig", unterstrich der Wiener Erzbischof in seinen Eröffnungsworten vor den mehreren hundert Anwesenden im Wiener Erzbischöflichen Palais. Solidarität und Engagement für die von den Kriegshandlungen und seinen Konsequenzen Betroffenen seien auch weiter dringend gefragt.
Schönborn rief zu einer Haltung der Dankbarkeit auf, welche zum Umgang mit Herausforderungen und Schwierigkeiten vonnöten sei. Viele in Österreich hätten sich angesichts von mehr als 75 Jahren Friede schon an diesen gewohnt und würden diesen als "Naturgegebenheit" sehen. Dennoch gelte: "Nichts ist selbstverständlich", so der Wiener Erzbischof, der an diesem Abend auch in seiner Funktion als Ordinarius der katholischen Ostkirchen auftrat.
Zwangsvertreibung und Solidarität
Ostkirchen-Generalvikar Yurij Kolasa gab einen Überblick über die aktuelle Situation in der Ukraine und über die Hilfsmaßnahmen für die Menschen vor Ort und die Geflüchteten in Österreich. "Wir erleben eine in der Geschichte unserer Zeit noch nie dagewesene Zwangsvertreibung von Millionen von Menschen", so Kolasa. In den letzten 100 Tagen hätten etwa 6,7 Millionen Kriegsvertriebene im Ausland, vorwiegend in Polen, Zuflucht gefunden. 2,3 Millionen seien auch wieder in die Ukraine zurückgekehrt. Darüber hinaus seien neun Millionen Binnenflüchtlinge in den Westen der Ukraine geflohen.
In Österreich seien bereits 75.000 Kriegsvertriebene offiziell registriert. Davon seien 70 Prozent Frauen und Kinder. Nachsatz: "Und täglich kommen weitere hinzu." Von den bis zu 75.000 Ukrainern im Land hätten nur 55.000 Personen einen Antrag auf Grundversorgung gestellt und Sozialleistungen in Anspruch genommen. "Die übrigen 20.000 sorgen für ihren eigenen Lebensunterhalt, haben eine Wohnung privat angemietet, und warten auf eine stabilere Lage in der Ukraine, um so bald wie möglich zu ihrem normalen Leben zurückzukehren." Offiziell hätten bereits 5.000 eine Arbeitsbewilligung erhalten und 7.000 seien vorgemerkt.
Seit Kriegsausbruch hätten sich die Mitglieder der ukrainischen Gemeinde in Österreich als Freiwillige engagiert, um Hilfsgüter, Lebensmittel, Medikamente und Geldspenden für die vom Krieg betroffenen Menschen in der Ukraine zu sammeln und sich in vielfältiger Weise um die Flüchtlingsfamilien zu kümmern. Hunderte Tonnen von Hilfsgütern seien bereits von den ukrainischen Gemeinden in die Ukraine befördert.
Er wolle zugleich auch allen Österreicherinnen und Österreichern für ihr starkes Zeichen der Solidarität, des Mitgefühls und der Verbundenheit seinen herzlichsten Dank aussprechen, so der ukrainische Generalvikar. Leider betreffe dieser Krieg nicht nur die Ukraine, sondern die gesamte Welt. "Als europäische Gemeinschaft können wir nicht die Not unserer Nachbarn ignorieren oder aufs Spiel setzten. In kompromissloser Solidarität mit der Ukraine zu stehen bedeute, kompromisslos für die Menschenwürde einzutreten", so Kolasa wörtlich.
Caritas: Hilfen weiter nötig
Katharina Renner, Leiterin der Ukraine-Hilfe der Pfarr-Caritas der Erzdiözese Wien, gab einen Überblick über die bisherigen Caritas-Hilfsmaßnahmen. 150 Tonnen Hilfsmittel seien bisher in 11 Transporten und fünf Minivans in die Westukraine gerollt, kleinere Hilfslieferungen auch in die von den Kriegshandlungen direkt betroffenen Ostukraine. "15,7 Millionen Menschen sind derzeit auf Hilfe angewiesen. Sie brauchen Nahrung, Wasser, Kleidung, Informationen und medizinische Betreuung", so Renner, die auch Vizepräsidentin der Katholischen Aktion Österreich ist. Der Einsatz für die Caritas vor Ort sei gefährlich und habe mehreren Kollegen bereits das Leben gekostet.
Auch auf die Hilfe für die derzeit 75.000 aus der Ukraine Geflüchteten in Österreich ging die Caritas-Expertin ein. "Ohne den Einsatz der Zivilbevölkerung wäre die Versorgung kaum möglich", so Renner. Drei Arten von Spenden seien momentan besonders gefragt: "Wohnraumspenden, Sachspenden und Geldspenden - vor allem aber eine Willkommenshaltung von uns für die Menschen, die ankommen und es nicht leicht haben." Geflüchtete bräuchten auch die Möglichkeit, zusammenzukommen, sich zu treffen - "und besonders Kinder, wieder zur Ruhe zu kommen".
Musikalisch gestaltet wurde der Medienempfang von einem ukrainischen Streichquartett mit der aus Lwiw stammenden, an der Wiener Staatsoper wirkenden Mezzosopranistin Sorjana Kuschpler. Die Andreaskapelle des Erzbischöflichen Palais war für Gebete für die Ukraine geöffnet und ein Büchlein als Gastgeschenk erinnerte an eine enge Verbindung zwischen der Ukraine und Österreich: Kardinal Theodor Innitzer war in den 1930er-Jahren die einzige internationale Persönlichkeit, die gegen den damaligen Holodomor-Genozid an den Ukrainern aufmerksam machte und Hilfskomitees für die Betroffenen gründete. Die Spenden des Abends gingen an die Ukrainehilfe der Caritas vor Ort und in Österreich.
(ps/kathpress/9.6.2022)