Abtreibungsdebatte: kfbö für sorgsamen Umgang mit „unlösbarem ethischem Dilemma“
[Wien, 6. Juli 2022, PA kfbö] Für einen sorgsamen, am Menschen orientierten Umgang mit der Frage der Abtreibung plädiert die Katholische Frauenbewegung Österreichs vor dem Hintergrund der Abtreibungsdebatte, die das jüngste Urteil des Obersten Gerichtshofs in den USA ausgelöst hat: rund die Hälfte der amerikanischen Bundesstaaten haben infolge des Urteils ein Verbot von Abtreibung beschlossen oder in Aussicht gestellt. „Abtreibung stellt ein unlösbares ethisches Dilemma dar“, so kfbö-Vorsitzende Angelika Ritter-Grepl. Ein „Recht auf Abtreibung“ könne es nicht geben, da die Autonomie einer Schwangeren immer „in Bezogenheit“ zum Leben und der Würde ihres Kindes zu denken sei. Jeder Frau sei aber ein „Recht auf Unterstützung“ und „Getragensein“ einzuräumen, sowohl vor als auch nach einer möglichen Entscheidung für eine Abtreibung oder auch für das Austragen eines Kindes und das Leben mit ihm. „Mit der Fristenlösung haben wir in Österreich ein Instrument, das es erlaubt, sich innerhalb dieses Dilemmas zu bewegen“. Mehr noch als bisher brauche es aber Investitionen in Beratung, Begleitung, Prävention und Bewusstseinsbildung, insbesondere bei Männern. Es brauche Maßnahmen zur sozialen Sicherung aller Menschen sowie Gerechtigkeit in der Bewertung und Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern.
Es gelte sowohl das staatliche Angebot an Beratung und Begleitung auszubauen als auch das von Pastoral und Seelsorge, die Information darüber müsse stärker öffentlich kommuniziert werden. Statistische Erhebungen zu erfolgten Abtreibungen könnten dazu beitragen, derlei Maßnahmen zielgerichteter als bisher zu ergreifen und die Gesundheit von Frauen auf psychischer wie physischer Ebene besser zu schützen. Die Politik sei gefragt, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass soziale Sicherheit insbesondere für Alleinerziehende und Familien gewährleistet ist, Erwerbs- und Sorgearbeit so bewertet und organisiert sind, dass Männer wie Frauen gleichermaßen tätig sein können und Verantwortung tragen. Die gegenwärtige Verschärfung sozialer Ungleichheit und wachsende Prekarisierung von Teilen der Bevölkerung stelle in dieser Hinsicht eine besondere Herausforderung dar.
Armutsbekämpfung und –vermeidung seien ebenso als „präventive“ Maßnahmen zu verstehen wie sexuelle Aufklärung und Bewusstseinsarbeit, insbesondere unter Jugendlichen und Männern. Verhütung müsse stärker propagiert und einfacher zugänglich gemacht werden: Studien zeigten, dass die Zahl der Abtreibungen dort gering sei, wo offen über Verhütung gesprochen werde und der Zugang, auch finanziell, niederschwellig sei. Ein verstärktes Angebot an Männerarbeit könne dazu beitragen, Geschlecht-basierte Gewaltstrukturen aufzubrechen und sexualisierte Gewalt bis hin zur Vergewaltigung zu minimieren bzw. zu vermeiden. Die Möglichkeit der Adoption müsse aus der nach wie vor bestehenden Tabuzone geholt und offensiv ins öffentliche Bewusstsein gehoben werden, der Zugang erleichtert.
Druck auf Frauen gelte es aber auch zu verhindern angesichts einer immer ausgefeilteren Pränataldiagnostik und der damit einhergehenden, indirekten Aufforderung, Kinder mit Einschränkungen nicht auf die Welt zu bringen. Stigmatisiert werden dürften weder Frauen, die sich für ein behindertes Kind entscheiden noch jene, die sich für eine Abtreibung entscheiden, so die kfbö. Jeglichem Fundamentalismus sei entgegenzutreten, auch dem religiösen.
Erfahrungen mit den desaströsen Auswirkungen eines strikten Abtreibungsverbots hat die Katholische Frauenbewegung Österreichs in El Salvador gesammelt, wo sie sich seit vielen Jahren für Frauen engagiert, die selbst bei einer erlittenen Fehlgeburt zu Freiheitsstrafen verurteilt werden. In Österreich plädiert die kfbö für soziale Gerechtigkeit im Zugang zu Ärzt:innen und medizinischen Einrichtungen, die gegebenenfalls eine Abtreibung vornehmen. Information und Infrastruktur seien häufig unzureichend.
(eo, 6.7.2022)