Zeitenwende erfordert Umdenken und anderes Handeln
"Selten ist die Mehrdeutigkeit des traditionellen Titels dieses Editorials stärker zum Tragen gekommen: Was Sie erwartet …. – Was uns erwartet? Wir wissen es nicht. Es ist, als habe der von Putin zynisch als Selbstverteidigung ausgewiesene Überfall auf die Ukraine die einigermaßen stabil geglaubte Weltarchitektur in ihrer ganzen multifaktoriellen Brüchigkeit demaskiert. Gas, Öl, Strom, Getreidepreise, Inflation, Lieferketten, Covid, Klimakrise, Hunger, Flucht, Migration …. Die Schockwellen des ukrainischen Epizentrums breiten sich über den ganzen Planeten aus. Politische Radikalisierung und Polarisierung, Wirtschaftskrise, Wettrüsten, steigende Armut, nationalistische Segregation können die Folge sein. Aber ebenso, wenn auch – weil alternativlos – gezwungenermaßen, mehr internationale Kooperation, der Ausstieg aus fossiler Energie, eine Änderung des Lebensstils.
Dieses Heft nimmt einige Aspekte im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine in den Blick: Zwei Beiträge befassen sich mit der Rolle der Kirchen. Thomas Olechowski stellt die berechtigte Frage, wann kirchliche Würdenträger endlich aufhören werden, sich – wie dieses Mal der russische Patriarch Kyrill – an die Seite von Aggressoren zu stellen und Hass und Gewalt zu legitimieren. Und ein Autorenkollektiv von Ostkirchenspezialisten und -spezialistinnen unterzieht die diplomatische Linie des Vatikans einer kritischen Analyse und kommt zu dem Schluss, dass Franziskus und sein Stab gerade dabei sind, dem gesamten ökumenischen Projekt und der diplomatischen Autorität des Vatikans großen Schaden zuzufügen.
Severin Renoldner betrachtet den Ukrainekrieg aus pazifistischer Sicht und geht dabei auch auf den mitunter geäußerten Anspruch der unbedingten Gewaltlosigkeit ein. Und Wolfgang Machreich hat mit dem Migrationsexperten Gerald Knaus unter anderem über das Phänomen gesprochen, dass bei Flüchtlingen aus der Ukraine plötzlich Dinge möglich und weithin akzeptiert werden, die bei Schutz und Lebensperspektive suchenden Menschen aus anderen Weltregionen undenkbar waren (und wären). Heiner Boberski betont in seinem Kommentar, dass eine sich abzeichnende historische Zeitenwende wie diese ein Umdenken und anderes Handeln in vielen Bereichen erfordern wird. Und man wird das Wohlergehen Aller im Blick haben müssen.
Alfred Kirchmayr diagnostiziert als erfahrener Psychoanalytiker drei pathogene Komplexe der katholischen Kirche. Sie haben mit Autorität, mit Reinheit und mit Männlichkeit zu tun. Einen weiteren Befund steuert Tomáš Halík bei, dessen von Franz Josef Weißenböck rezensiertes Buch „Der Nachmittag des Christentums“ eine gleichermaßen klarsichtige Analyse des Ist-Zustandes der Kirche, wie eine konstruktive Vision deren möglicher Zukunft beinhaltet. Theresa Stampler fühlt sich vom Gedichtband des bedeutenden litauischen Lyrikers Tomas Venclova auf eine Reise mitgenommen. Nicht zuletzt aufgrund der sensiblen Übersetzungsarbeit von Quart-Redaktionsmitglied Cornelius Hell, der auch als Autor einer Rezension über Gábor Fónyads Roman „Als Jesus in die Puszta kam“ in diesem Heft vertreten ist. Last but not least würdigt Peter Pawlowsky unseren langjährigen Kollegen Peter Paul Kaspar und dessen reiches Lebenswerk anlässlich seines 80. Geburtstags."
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(ps/14.7.2022)