Kaineder: Ältere müssen weg von "zutiefst fossilem Lebensstil"
"Wir Älteren müssen unseren Lebensstil bescheidener anlegen" und weg vom immer noch vorherrschenden "zutiefst fossilen Lebensstil" kommen. Diese Mahnung mit Blick auf die nachkommenden Generationen hat der Präsident der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ), Ferdinand Kaineder, anlässlich des "Welttags der Großeltern und Senioren" (24. Juli) geäußert. "Nicht die Jungen müssen sich ändern, sondern wir Ältere sollten an den Jungen lernen", von denen bereits viele ihr Leben entlang von einer solidarischen Genügsamkeit entwickeln würden, so seine Beobachtung. "Genau das gibt mir Hoffnung." Auch die Politik müsse konsequent Rahmenbedingungen gegen das gängige Motto "take it - make it - waste it" und für einen "sozial-ökologisch-spirituellen Lebensstil" schaffen, sagte Kaineder in einem Kathpress-Interview.
Manche aus der Großelterngeneration meinten im Brustton der Überzeugung: Einen Lebensabend in Wohlstand - mit Auto, großer Wohnung, ausgiebigen Urlaubsreisen und Mainstream-Konsum - haben wir uns verdient. Dazu der selbst "begeisterte Großvater": "Ein Lebensstil auf den Schultern anderer in einer globalen Sichtweise geht sich nicht aus." Ein gutes Leben im Alter sei nicht ein Immer-Mehr, sondern gehe ins Weniger, in die Genügsamkeit, in einfache Beziehungen und Begegnungen gerade mit Enkelkindern oder Kindern.
"Damit kein Irrtum aufkommt: Jeder Mensch braucht eine ausreichende Basis für ein gutes Leben und viele Ältere leben unter dem Minimum", räumte Kaineder ein. Er plädierte für einen Ausgleich auch unter den Älteren. Im Verhältnis der Generationen stelle sich die Frage nach der Verteilung von Möglichkeiten und Ressourcen. Das sozialstaatliche System mit Pensions- und Krankenkassen werde von den Älteren strapaziert und die Zahl der Jüngeren sinke, die das durch ihre Beiträge in Balance halten können, gab Kaineder zu bedenken. "Wir müssen mehr auf unsere jungen Familien schauen, dass sie ein gutes Leben gestalten können. Ich mache mir mehr Sorgen um die Jungen als um die Alten."
Für mehr Miteinander von Jung und Alt
Der KAÖ-Präsident wies darauf hin, dass noch vor etwa 50 Jahren jedem Menschen in Mitteleuropa etwa 25 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung stand - heute mindestens das doppelte. Ein "überzogener Individualismus" sei auf Dauer für die Erdkruste nicht verkraftbar. "Rücken wir wieder zusammen, geben wir die großen Wohnungen den Familien und gehen wir Ältere in kleinen Wohneinheiten zurück", rief Kaineder seine Altersgenossen auf. Es lohne sich, wieder mehr unmittelbare Nachbarschaft zu erleben und "Co-Housing-Wohnprojekte" zu fördern, um Generationen wieder zusammenzubringen. Dabei sollte Familie nicht nur in Kategorien der Blutsverwandtschaft gesehen werden.
Den Welttag der Großeltern und älteren Menschen hatte Papst Franziskus 2020 ausgerufen. Er findet jährlich am vierten Sonntag im Juli statt, rund um den Gedenktag der heiligen Anna und Joachim, den Eltern Marias und damit den Großeltern Jesu. Kaineder kann die Motivation des Papstes, "die Weisheit, Liebe und Compassion der älteren Menschen für die Entwicklung einer humanen Gesellschaft nicht zu verlieren", gut nachvollziehen, wie er gegenüber Kathpress sagte. Es sei gut, in Österreich die Älteren nicht aus den Augen zu verlieren und gleichzeitig die Älteren daran zu erinnern, "dass ihr Leben in der Nähe und in Beziehung zu Kindern ganz wichtig für beide Seiten ist". Kaineder: "Wo Jung und Alt zusammentreffen, zeigt sich das Leben von einer tiefen Lebendigkeit."
Im Leben der Enkel sehr präsent
Er selbst bemühe sich gemeinsam mit seiner Frau seit der Geburt ihrer jetzt sieben und sechs Jahre alten Enkelsöhne um eine aktive Rolle als Großeltern. Es sei eine bewusste Entscheidung Kaineders gewesen, "dass ich mir von Beginn an Zeit nehme für die Enkel"; er habe sie schon als Babys schlafen gelegt, gefüttert und gewickelt, war bei Gehen-Lernen präsent und jetzt öfters Lotse bei Bergwanderungen, Badminton-Mitspieler oder Begleiter beim Singen der Erstkommunion-Lieder. Jeder Montag sei für die Kleinen reserviert, obwohl zwischen den Wohnorten 20 Kilometer liegen. "Wir richten uns da aber ganz nach den Eltern und machen keine eigene Großelternwelt", versicherte Kaineder. "Persönlich glaube ich, dass uns der Himmel in den Enkelkindern berührt und uns zur Liebe, zur Geduld und zu einem guten Leben anstachelt", verwies er auf entsprechende Zeilen in seinem Herder-Buch "Anpacken, nicht einpacken!" (2020).
Auch der Kirche täte nach Überzeugung des KAÖ-Präsidenten "mehr junges Leben" gut. Von Jungen, die es mit der Kirche vor Ort versuchen, höre er immer wieder: "Es ist fad und lauter alte Männer da vorne." Als Opa sei es ihm wichtig, "dass ich mein Leben auch nach den Kindern ausrichte, von ihnen lerne, mich von ihnen aus der Bahn werfen, vielleicht sogar nerven lasse". Diese Bereitschaft, sich "stören" zu lassen und Notwendiges zu verändern, vermisse er im allzu ruhigen "kirchlichen Establishment", so Kaineder gegenüber der Kathpress.
(jp/22.7.2022)