Ein gutes Leben für alle, aber wie?
Viele Menschen sprechen von einer elementaren Zeitenwende. Sie beschreiben damit eine Welt, die von multiplen Krisen gezeichnet ist: Klimakrise, Hungerkrise, Pandemie, Kriege, Flüchtlingsströme, Wirtschaftskrise, Energiekrise sowie Wohlstandsverlust und bedrohliche Verarmungsdynamiken.
Angst als bestimmendes Gefühl angesichts multipler Krisen
Wir alle sind konfrontiert mit einer Welt, in der nichts mehr beständig erscheint und alte Sicherheiten sich auflösen. Die Veränderung ist omnipräsent und wird zur Normalität. Die permanente Beschleunigung dieser gesellschaftlichen Dynamiken führt zu Unsicherheit und Überforderung. Viele Menschen leiden unter diesen Umständen, und es wird ein Gefühl verstärkt, welches die menschliche Existenz massiv anleitet und bestimmt: das Gefühl der Angst.
Existenzsicherung wie? Was kann ein Grundeinkommen?
Es stellt sich daher die Frage, mit welchen Maßnahmen und Instrumenten die Politik den Menschen in Österreich ein gutes Leben ermöglichen kann.
Dieser Frage ist die KAB Steiermark, zusammen mit dem diözesanen Fonds für Arbeit und Bildung, bei einer Veranstaltung am 7. Oktober im Franziskanerkloster in Graz nachgegangen. Namhafte Expert:innen waren zu einem Austausch über die Themenstellung der allgemeinen Existenzsicherung und der Auswirkungen der möglichen Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens geladen.
Volksbegehren ohne Konsequenz
Martin Hochegger, Vorsitzender der KAB Steiermark und Moderator des Abends, wies in seiner Einführung darauf hin, dass ein Volksbegehren zur Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens im heurigen Mai von über 160 000 Menschen unterschrieben worden ist. Zuletzt sei das Volksbegehren im Nationalrat behandelt worden. Allerdings hätten alle Parteien die Einführung abgelehnt und unterschiedliche Gründe dafür angeführt.
Papst Franziskus: Befürworter eines Bedingungslosen Grundeinkommens
Das Bedingungslose Grundeinkommen war ja zuletzt auch von Papst Franziskus angestoßen worden. Die Einführung eines solchen wurde in Österreich seit den 80iger Jahren des letzten Jahrhunderts in katholischen Kreisen rund um die katholische Sozialakademie immer wieder thematisiert. Darauf hat Anna Wall – Strasser als Vorsitzende der KAB Österreich in ihrem Eingangsstatement hingewiesen. Jeder Mensch, der in Österreich lebt, hätte ein Recht auf eine bedingungslose bedarfsorientierte Unterstützung, so Wall-Strasser. Dies wäre auch eine Maßnahme, um alle Erwachsenen aus bestimmten Zwängen im Arbeitsleben zu befreien und Lust auf sinnstiftende Arbeit zu machen. Es wäre auch eine zielgerichtete Maßnahme, um ein besseres Verhältnis zwischen Erwerbsarbeit und derzeit unbezahlter Sorgearbeit zu erreichen.
BGE befördert Geschlechtergerechtigkeit
Damit könnte ein wesentlicher Schritt in Richtung Gleichstellung zwischen Männer und Frauen erreicht werden. Auf diesen Aspekt hat Melina Klaus vom „Netzwerk Grundeinkommen“ in ihrem Statement hingewiesen. Sie plädierte stark für die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens. Es ginge darum, den Menschen aus diversen Zwängen und Abhängigkeiten zu befreien und gleichzeitig Sicherheit zu geben. Es sei grundsätzlich eine Frage des Menschenbildes.
Ein Bedingungsloses Grundeinkommen wäre auch eine wichtige Maßnahme, um deer sich ausbreitenden Kinderarmut entgegen wirken zu können. Weiters sprach Klaus einen aktuell anlaufenden Modellversuch in Katalonien an. Die dortige Provinzregierung hat einen Modellversuch beschlossen, der alle bisherigen Versuche, was sowohl den Umfang als auch die Ausgestaltung betrifft, übertreffen würde. Es würden 5000 Menschen in diesem Modellversuch miteinbezogen.
Abschließend wies sie darauf hin dass mittlerweile in über 70 Ländern entsprechende Initiativen und Vereine gebe, die eine Einführung eines Grundeinkommens fordern würden.
Ist ein BGE finanzierbar?
Die Notwendigkeit zu verstärkten Maßnahmen gegen die Kinderarmut teilten auch die nachfolgenden Experten wie Werner Anzenberger von der Arbeiterkammer Steiermark und Nikolaus Dimmel, Sozialrechtsexperte an der Universität Salzburg.
Anzenberger zweifelte in seiner Wortmeldung die Finanzierbarkeit eines Bedingungslosen Grundeinkommens an. Die Arbeiterkammer hätte errechnet, dass allein die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens mehr als 200 Milliarden Euro pro Jahr kosten würde, die Kosten für freien Schulzugang, Mietunterstützung und viele andere derzeitige Sozialleistungen wären dabei noch gar nicht abgedeckt. Es würde damit ein Sozialabbau und keine Verbesserung erreicht werden.
Auf die Unfinanzierbarkeit wies auch Eric Kirschner, Ökonom und Studienautor von Joanneum Research, hin. Er sei strikt gegen ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Jeder und jede müsse für die Gesellschaft eine Leistung erbringen. Die Idee eines Grundeinkommens hätte Charme, sei aber naiv, da sie von zu vielen Menschen ausgenützt werden würde – Stichwort „Sozialschmarotzer“.
Verteilungs- und Eigentumsfrage stellen
Nikolaus Dimmel kritisierte in seiner Wortmeldung die Marktgläubigkeit und das kapitalistische Wirtschaftsmodell grundsätzlich. Gerade die Vorkommnisse rund um die Pandemie und der jetzigen Energiekrise hätten gezeigt, dass der Markt mit der Regulierung existenzieller Bereiche überfordert sei.
Es müsse vielmehr die Verteilungs- und Eigentumsfrage gestellt werden. Zusätzlich sprach er noch die Notwendigkeit der Einführung von Mindestlöhnen, einer radikalen Arbeitszeitverkürzung, einer deutlichen Erhöhung des Arbeitslosengeldes und einer Neubewertung der Care-Arbeit an.
Mit der Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens allein würde das ausbeuterische System gegenüber Mensch und Natur nicht überwunden werden können.
Text: Martin Hochegger/red
(eo, 12.10.2022)