Oberösterreich: 25 Jahre "Allianz für den freien Sonntag"
Das Land Oberösterreich ist ein Vorreiter, was den Schutz des arbeitsfreien Sonntags betrifft - seit 25 Jahren existiert dort ein breites Bündnis, das dieses Anliegen verfolgt. Oberösterreich war das erste österreichische Bundesland, das den arbeitsfreien Sonntag in die Verfassung aufnahm. Das 25-Jahr-Jubiläum der "Allianz für den freien Sonntag Oberösterreich" war am 17. Oktober Anlass für einen Festakt im Lentos Kunstmuseum Linz mit rund 100 Gästen aus Kirche, Politik und Gesellschaft - darunter Bischof Manfred Scheuer, sein Vorgänger Allianz-Gründungsmitglied Maximilian Aichern, Bischof Wilhelm Krautwaschl (Graz) als kirchlicher Sprecher der Allianz für den freien Sonntag Österreich, OÖ-Landeshauptmann Thomas Stelzer und der Linzer Bürgermeister Klaus Luger als Gastgeber. Die Katholische Aktion Österreich, die gemeinsam mit Katholischer Arbeitnehmer:innen-Bewegung Österreich, Katholischer Frauenbewegung Österreich, Katholischer Jugend und Katholischer Jungschar Österreich Mitglied der österreichweiten "Allianz für den freien Sonntag" ist, war beim Festakt in Oberösterreich vertreten durch KAÖ-Präsident Ferdinand Kaineder, den Generalsekretär der Katholischen Aktion Oberösterreich, Manfred Hofmann, die Präsidentin der KA Salzburg, Elisabeth Mayer, sowie die Präsidentin der KA Oberösterreich, Maria Hasibeder (s. Foto v.l.n.r). Ebenfalls im Bild:
Christian Öhler, Pfarrer von Bad Ischl und Sprecher der "Allianz für den freien Sonntag Oberösterreich", der gemeinsam mit der Vorsitzenden der KABÖ, Anna Wall-Strasser, durch den Festakt führte.
Bischof Scheuer war in der Zusammenfassung der Diözese Linz der erste in einer Reihe von Befürwortern des arbeitsfreien Sonntags. Gerade durch das biblische Sonntagsruhegebot werde deutlich, "dass die Würde des Menschen mehr ist als der Marktwert und mehr als ein Produktionsfaktor", betonte er. Mittelfristig würde die Ausweitung der Sonntagsarbeit zu mehr Unruhe, zu mehr Stress und Fremdbestimmung führen. Ein kulturelles und soziales Miteinander sei nicht ohne zeitliche Freiräume denkbar, die für möglichst viele Menschen verbindlich seien, zeigte sich der Linzer Bischof überzeugt.
Mit dem Sonntag müsse "ein Signal für die Notwendigkeit der Sinnfindung im Leben" gesetzt werden, sagte der zuständige österreichische Referatsbischof Wilhelm Krautwaschl in seinem Grußwort. Die Rückbindung von Arbeit und Wirtschaft in das Ganze eines gelungenen Lebens sei die erste große Herausforderung für Gesellschaft und Politik, die gerade in der Corona-Zeit bewusst geworden sein sollte. "Wirtschaft darf kein Selbstläufer sein, sondern bedarf der Besinnung auf die umfassenden Bedürfnisse der Menschen. Den Wunsch der Menschen danach sehen wir am Arbeitsmarkt deutlich", so Krautwaschl: "Wir brauchen den freien Sonntag, um zu erkennen, was es heißt, Mensch zu sein."
Die vor allem von kirchlichen Organisationen und Gewerkschaften gebildete Allianz ist nach den Worten Landeshauptmann Stelzer ein Manifest gegen einen falsch verstandenen Egoismus nach dem Motto: "Es muss immer alles verfügbar sein, wenn ich es gerade will." Zu einem guten Leben gehöre auch, zu einer Work-Life-Balance zu finden. Bürgermeister Luger sagte, Arbeit werde ein zentraler Faktor im Leben von Menschen bleiben, aber es gebe weitere, ebenso zentrale Werte: "Zeit zu haben für andere Menschen, Zeit zu verbringen mit anderen Menschen."
Aichern: Sonntagsruhe ältestes Sozialgesetz
Der Linzer Altbischof Aichern nannte das dritte Gebot "Du sollst den Tag des Herrn heiligen" das älteste Sozialgesetz. Es gehe in der Gesellschaft aber nicht nur um den religiösen Aspekt, sondern um die notwendige Ruhe der Menschen nach Zeiten der Arbeit. Aichern zeigte sich dankbar, dass es gelang, den arbeitsfreien Sonntag in die Verfassungen von Bund und Ländern einzuschreiben.
In der oberösterreichischen Landesverfassung heißt es dazu wörtlich: "Das Land Oberösterreich bekennt sich zum Sonntag und zu den staatlich anerkannten Feiertagen als Tage der Arbeitsruhe. Es achtet die mit diesen Tagen verbundenen Traditionen", erinnerte OÖ-Arbeiterkammer-Präsident Andreas Stangl. Er appellierte mit diesem Zitat an Landeshauptmann Stelzer, keine Sonder-Sonntagsöffnungen zuzulassen.
Als "Geburtshelfer der Allianz" blickte der frühere Betriebspfarrer Hans Gruber auf deren Initialzündung zurück: 1996 sei es auf Betreiben der britischen Regierung zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs gekommen, wonach der wöchentliche freie Tag nicht der Sonntag sein müsse. Angesichts eines derartigen "Großangriffs auf die Sonntagsruhe" brauchte es "eine Koalition all derer, denen dieser Tag heilig ist: Familien, Kirchen, Parteien, Vereine von Sport bis Blasmusik, Gewerkschaften, kleine Geschäftsleute - all jene, die Interesse daran haben, dass sich Menschen noch an einem gemeinsamen freien Tag treffen können", wie Gruber sagte.
Philipp Kuhlmann, gewerkschaftlicher Sprecher der Allianz für den freien Sonntag Österreich, bezeichnete den oft gehörten Hinweis auf die Konkurrenz durch den Internethandel als Scheinargument. Es gehe letztlich um Profitinteressen weniger Unternehmer: "Auch eine Öffnung am Sonntag würde an diesem Umbruch im Handel nichts ändern."
Formel "Zeit ist Geld" führt in Sackgasse
Den Festvortrag zum Thema "Entschleunigung" hielt Fritz Reheis, Sozialwissenschaftler und Gründer der Deutschen Gesellschaft für Zeitpolitik. "Wir leiden an der Beschleunigungskrankheit", so seine Diagnose. Die Formel "Zeit ist Geld" habe in eine Sackgasse geführt. Notwendig sei ein neues Leitbild für Wohlstand, so der Experte: "An die Stelle der grenzenlosen Steigerung des materiellen Wohlstands muss der Wohlstand an selbstbestimmter Zeit treten."
Nach der Allianz-Gründung 1997 in OÖ kam es 2001 kam es zur Gründung der österreichischen Allianz für den freien Sonntag. Die Idee einer gesellschaftlichen Allianz zur Erhaltung bzw. zur Wiedererlangung des arbeitsfreien Sonntags ging schon bald über die Grenzen Österreichs hinaus, sodass es mittlerweile in Deutschland, Polen und der Slowakei Allianzen gibt. 2011 wurde die Europäische Sonntagsallianz gegründet. Gemeinsames Ziel ist es, öffentliches Bewusstsein für die Bedeutung des gesellschaftlichen Werts gemeinsamer freier Zeit zu schaffen. Damit soll dem Trend entgegengewirkt werden, dass alle Lebenszeit zu Arbeits- und Konsumzeit wird.
Quelle: kathpress, red
Info: www.freiersonntag.at
(eo/18.10.2022)