Neue Genossenschaften des Gemeinwesens
KAÖ-Vizepräsidentin Katharina Renner hat in der Weihnachtsausgabe der Wochenzeitung "Die Furche" (22.12.) ihre Ideen für neue, zukunftsorientierte Formen genossenschaftlichen und kirchlichen Gemeinwesens dargelegt. Sie tut dies in der Form eines Rückblicks im Jahr 2050 auf die Entwicklungen seit 2022 und das viele Positive, das erreicht wurde. Hier ihr Text:
Im Jahr 2050 wählen wir alle drei Jahre Zuständige für ehrenamtliche Aufgaben. Das Gemeindezentrum ist ein Ort, wo man zusammenkommt, essen und trinken kann. Es gibt einen Jugendclub, die Seniorenrunde, eine Caritas-Beratungsstelle, eine betreute Notunterkunft, einen Theaterverein, einen Proberaum und eine Gottesdienstgemeinde. Dass die Aufgabenpalette groß ist, überrascht viele. Aber es funktioniert, es gab immer genügend Freiwillige.
Solche Zentren gibt es österreichweit und in vielen anderen Ländern in Europa. Die Kirchengebäude sind den religiösen Menschen geblieben, alle anderen Gebäude gehören jetzt den „Gemeinwesen-Genossenschaften“, an denen mehr als 80 Prozent der Bevölkerung beteiligt sind. Pfarrhöfe werden dafür verwendet, ergänzt durch neue einfache Architektur. Die Kommunen sind froh, dass die Kirche die Gebäude in die Hände engagierter Initiativen übergeben hat. Auch für die Kirche war das im Rückblick das Beste. Der Einbruch an Beitragsgeldern kam wie befürchtet. Dennoch (oder deswegen?) hat sich ein neuer Spirit ausgebreitet. Wir sind widerständiger. Wir fühlen uns unabhängig. Wir trauen uns, aufzustehen, wenn Grundsätze der Menschenwürde verletzt werden. In aller Diversität, die sich durch Bewegungen, spirituelle Gruppen etc. angesammelt hat, und immer gemeinsam mit unseren evangelischen, orthodoxen, altkatholischen Geschwistern.
Das erzeugt ein neues Gemeinschaftsgefühl derer, die sich dieser Kirche verbunden fühlen. Vor zwanzig Jahren noch fühlte man oft eine Distanz zwischen Klerus und Laien. Bischöfe sind heute weitgehend „entsakralisiert“ und das lässt sie als Möglichmacher wirken. Sie gestalten Kirche so, damit die Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen sich um die wirklich wichtigen Dinge kümmern können, Liturgie, Diakonie, Verkündigung, Gemeinschaft.
Der Mangel an Männern, die bereit waren, mit priesterlicher Berufung als Manager von Großgemeinden zu leben, und das ehelos, war nicht mehr zu kompensieren. Immer mehr Laien, vor allem Frauen, mussten faktisch priesterliche Funktionen übernehmen und die Leitung in den Gemeinden. Da dies ein weltweiter Trend ist, änderte Papst Damasus III., seit fünf Jahren im Amt, die kirchliche Verfassung. Alle kirchlichen Ämter sind für alle Menschen und alle Lebensformen gleichwertig zugänglich.
Der synodale Prozess, vor fast 30 Jahren begonnen, wurde nie beendet, sondern ist als dauerndes Betriebssystem der Kirche installiert worden. Weil sich die Macht in der Kirchenhierarchie durch die eingebrochenen Mitgliederzahlen, durch den Wegfall verschiedener Privilegien und damit das Vermögen stark verschoben hat, ist die Idee von den Basisgemeinden wieder auferstanden. Die Kirchtürme stehen, rundherum haben sich diverse Gemeinschaften gebildet, und die meisten tragen mit ihrem Können und Vermögen die „Gemeinwesen-Genossenschaften“ mit. So ist es gelungen, ein gutes Leben für alle zu ermöglichen.
Dr. Katharina Renner, seit September 2021 Vizepräsidentin der KAÖ, ist Theologin, Soziologin und bei der Caritas der Erzdiözese Wien tätig.
s. auch: www.furche.at
(jp/23.12.2022)