Synodalität nicht nur für Kirche heilsames Rezept
Ferdinand Kaineder sowie zahlreiche Vertreter:innen der Katholischen Aktion nahmen an der Österreichischen Pastoraltagung im Bildungshaus St. Virgil in Salzburg teil.
(s. auch "Präsent sein. Wege zu qualitätsvoller Pastoral").
Am Foto (v.l.n.r.): Luitgard Derschmidt, Vorsitzende des Forums Beziehung, Ehe & Familie der KAÖ, Elisabeth Mayer, Präsidentin der KA der Erzdiözese Salzburg, Manfred Rotter, Arbeitsgemeinschaft Katholischer Soldaten, Brigitte Knell, KAÖ-Vizepräsidentin, Reinhard Bödenauer, Präsident der KA der Erzdiözese Wien, Ferdinand Kaineder, Präsident der KAÖ © KAÖ / Kaineder.
Kathpress berichtet:
Linzer Pastoraltheologin Csiszar bei größter alljährlicher Bildungsveranstaltung in Österreichs Kirche: "Jesuanischer Pastoralstil" konkretisiert sich in "Not-wendenden Begegnungen - Jesuit Theobald: Berufung meint letztlich "Hören, wer ich sein kann" - Theologe Loffeld empfiehlt Werbung aus Lebensmittelhandel als Lernanstoß.
Ein "jesuanischer Pastoralstil" konkretisiert sich in "Not-wendenden Begegnungen", in denen Seelsorgerinnen und Seelsorger eine Kirche im Sinne von Papst Franziskus erlebbar machen - nämlich eine, die nicht um sich selber kreist, sondern die sich den Armen und Bedrängten zuwendet und sich um ein "gutes Leben" aller bemüht. Darauf wies die Linzer Pastoraltheologin Klara Antonia Csiszar am Freitag in Salzburg im Rahmen der Österreichischen Pastoraltagung (12.-14.1.2023) hin. Der Papst aus Argentinien erinnere immer wieder daran, dass das, was wir füreinander tun, auch eine transzendente Dimension innehat, und dass es der "von Natur aus missionarischen Kirche" nicht um die eigene Befindlichkeit gehen dürfe, sondern um die "verwundete Welt" und deren Erlösung, so Csiszar.
Nicht zufällig sei die traditionelle Darstellung "Maria Knotenlöserin" ein Lieblingsbild von Franziskus, das für die Kirche insgesamt stehen soll. Heute gebe es im individuellen und sozialen Leben bis hin zur Weltebene viele "Knoten", an deren Lösung die Kirche und ihre Mitarbeitenden mitarbeiten. Dies geschehe in vielerlei Weise auch erfolgreich, so die aus Rumänien stammende Professorin an der Katholischen Privatuniversität. Beispiele dafür seien die Arbeit der Caritas für Straßenkinder, für weibliche Opfer von Gewalt oder auf die Einrichtungen der Ordensgemeinschaften im Bereich Bildung und Gesundheit. Csiszar riet ihren noch unter dem Eindruck jüngster Kirchenaustrittszahlen stehenden Zuhörenden, sich auch solche Erfolge und nicht nur Krisen und Hindernisse vor Augen zu halten.
Beklagt wurde in der Diskussion am Freitagvormittag auch der Umstand, dass auf Pfarrgemeindeebene vieles nur vom zuständigen Priester entschieden - und manchmal auch verhindert - werde. Csiszar meinte dazu lapidar, es sei besser, sich nicht in Frustration über Dinge und Menschen, "die man nicht ändern kann" zu ergehen, sondern die Kräfte dort einzusetzen, wo man selbst wirksam sein kann. Tröstlich mag vielleicht auch eine andere Referenzperson sein, auf die sich die Theologin in ihrem Vortrab mehrfach bezog: der Wiener KZ-Überlebende und Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse, Viktor Frankl. Dieser hatte unterstrichen, dass Menschsein nie nur ein "So-sein-Müssen", sondern immer auch ein "Auch-anders-sein-Können" bedeutet.
Der an der Tagung teilnehmende Präsident der Katholischen Aktion Österreich, Ferdinand Kaineder, rief dazu auf, sich mit anderen Unzufriedenen zu vernetzen und gemeinsam "das zu tun, was ansteht". Die Katholische Aktion biete dafür viele Gemeinschaften.
"Erfahrungsdefizit" aufbrechen
Zweiter Referent war am Freitagvormittag (13.1.2023) der in Paris lehrende Jesuit Christoph Theobald. Er widmete sich unter dem Titel "Im Alltag auf Gottes Ruf hören" dem Begriff der Berufung. Statt der gebräuchlichen "Funktionalisierung der Pastoral" gelte es den Blick zu weiten für die auch vom Zweite Vatikanum betonte christliche Berufung aller Getauften, die wiederum im Dienst der gesamtmenschlichen Berufung zu stehen habe. Theobald zitierte dazu das Bekenntnis in der Konzilskonstitution "Gaudium et spes" dazu, "dass etwas wie ein göttlicher Same in ihm (dem Menschen, Anm.) eingesenkt ist" und auf die sich die Kirche zur Errichtung einer geschwisterlichen Gemeinschaft aller beziehen solle.
Theobald kritisierte das "chronische Erfahrungsdefizit", das allzu genau definierten Diensten in der Kirche zu eigen sei und plädierte dafür, "Schluss mit einer Priesterausbildung, wo nur Priester sind", zu machen. Und der Jesuit unterschied klar zwischen der trennenden Sakramentalität und der verbindenden Heiligkeit, die einem - wie Papst Franziskus gemeint hatte - "an der Nachbartür begegnen" könne.
Theobald schrieb vor einigen Jahren ein französisches Buch über Berufung, dessen Titel "Vous avez dit vocation?" (dt.: Haben Sie Berufung gesagt?) in der deutschen Übersetzung besser mit "Hören, wer ich sein kann" wiedergegeben worden sei, wie der Autor sagte. Diese Offenheit für den Anruf Gottes finde sich vielfach in der Bibel, etwa in der Berufung des Samuel und dessen Satz "Rede, Herr, dein Diener hört".
Vom Kognitiven zum Narrativen
Das Christentum "verblasst im kulturelle Gedächtnis vieler westeuropäischer Länder, und die dortige Gesellschaft nimmt Inhalte zunehmend weniger auf kognitiver als auf narrativer Ebene wahr: Ausgehend von diesen beiden Beobachtungen stellte der in Utrecht (Niederlande) lehrende deutsche Pastoraltheologe Jan Loffeld die Frage, wie unter diesen Gegebenheiten so etwas wie "hopeful presence" von seelsorglich Tätigen gelingen kann - wie sie also in ihrer Zuwendung und Ansprechbarkeit auf Religiöses verweisen können.
Dass dies in einer Ära schwierig ist, da ein Heranwachsender in der Kirche schon mal erstaunt fragen kann, wer denn der da am Holzbalken hängende nackte Mann ist, liege auf der Hand, so der Theologe. Loffeld riet, etwa von den in der Reklame vermittelten "Hoffnungsgeschichten" zu lernen. Er präsentierte einen Werbespot der deutschen Handelskette "Edeka", in der ein vermeintlich scheiterndes Weihnachtsfest durch das spontane Einbeziehen von Feuerwehrleuten nach deren Löscheinsatz doch noch zum Erfolg wird. Solche narrativen "Miterfahrungsangebote" sollte auch kirchliche Seelsorge zugänglich machen. Wer in einer Predigt erklärt, verliere seine Zuhörer; wird dagegen erzählt, finde man Aufmerksamkeit. Auch in seelsorglichen Begegnungen genügt es laut Loffeld nicht mehr, mit Kirche assoziierte "Ur-Narrationen" wirken lassen zu wollen; Kirchenvertreter müssten aktuelle, in zeitgemäßer Sprache formulierte "Hoffnungs- und Heilsgeschichten" erzählen und zugleich davon lernen, wie die Gegenwartskultur das tut.
Mitwirkende am Synodalen Prozess in Österreich, Steinmair-Pösel: "Beitrag der Kirche für taumelnde Welt" abseits gewaltsamer Konfliktlösungen - Theologe Neubauer wirbt für Dialogformen, die "den Nächsten als anderes Ich ansehen"
Die derzeit die Kirche bewegende synodale Kommunikation und eine darauf aufbauende synodale Dialog-, Diskussions- und Konfliktkultur "könnte auch ein zukunftsweisender Beitrag der Kirche für eine fragmentierte Gesellschaft sein". Mit diesem Gedanken betonte die Sozialethikerin und Rektorin der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Edith Stein in Innsbruck, Petra Steinmair-Pösel, am Abschlusstag der Österreichischen Pastoraltagung in Salzburg am Samstag (14.1.2023), dass der von Papst Franziskus auf orts-, kontinental und weltkirchlicher Ebene ausgerufene geistliche Reformprozess nicht nur binnenkatholische Bedeutung hat, sondern als "hörende Kulturveränderung" auch als ein "Beitrag der Kirche für eine taumelnde Welt" zu sehen sei.
Die Überzeugung Steinmair-Pösels, die auch maßgeblich an der Endredaktion der österreichischen "Nationalen Synthese zum synodalen Prozess" verantwortlich war und Österreich gemeinsam mit Erzbischof Franz Lackner, der Pastoraltheologin Regina Polak und dem Salzburger Theologen Markus Welte bei der Europa-Kontinentalversammlung der Weltsynode im Februar in Prag vertreten wird: "Dieser synodale Ansatz ist etwas, was unsere Welt jetzt dringend braucht." Anstatt Konfrontation zu suchen oder den Krieg zu erklären, "brauchen wir Prozesse, die es ermöglichen, Differenzen auszudrücken, zu hören und reifen zu lassen, dass wir gemeinsam auf dem Weg sein können, ohne das Bedürfnis, jemanden zu zerstören", sagte die Theologin mit Bezugnahme auf den Papst. Es sei harte Arbeit und erfordere Geduld, für dauerhaften Frieden "Prozesse des gegenseitigen Zuhörens zu schaffen und aufrechtzuerhalten".
Synodalität beinhalte in einer kulturell, religiös und weltanschaulich pluralen Welt auch ein gemeinsames Gehen mit und Wertschätzen der "anderen", erklärte Steinmair-Pösel. Für sie ist aufgrund der Rückmeldungen klar, dass der begonnene Prozess unbedingt weitergeführt werden, das Verständnis und die Praxis von Synodalität weiterentwickelt und vertieft werden soll. Die auch bei der vorsynodalen Versammlung im Sommer 2022 in Mariazell angewandte Methode des geistlichen Gesprächs ("spirituelle Konversation") finde weltweit breite Zustimmung; sie sieht "echtes Zuhören" vor - für die Rektorin der erste Schritt auf dem Weg zu mehr Inklusion und Partizipation.
Steinmair-Pösel räumte ein, dass es in der Kirche strukturelle Hindernisse gebe, die beseitigt werden müssten. Reformanliegen aus der synodalen Beratung, die man vor Ort aufgreifen und umsetzen kann, gelte es sofort umzusetzen. Bei Anliegen, die nicht vor Ort umgesetzt werden können, wünschen sich die Gläubigen in Österreich eine Thematisierung auf der entsprechenden übergeordneten Ebene. Die Theologin hielt grundsätzlich fest: "Synodalität baut zentral auf Gemeinschaft, Teilhabe und Mitverantwortung aller Getauften."
Der zweite Tagungsreferent am Samstagvormittag, der Melker Theologe und Philosoph Jakob Helmut Deibl, lud das Auditorium zur Auseinandersetzung mit literarischen Texten ein, in denen sowohl das Tagungsthema "Präsenz" als auch Abschied bzw. Abwesenheit zum Ausdruck kommen. Die Bibel kenne zwar viele Motive einer dauernden Präsenz Gottes und die Philosophie spreche von Gott als dem "allerrealsten Wesen", aber es gebe zugleich keine unmittelbare Erfahrung Gottes. Dem könnten sich in ästhetischen Sprachformen gefasste Übergänze zwischen da und abwesend sein vielfach anregend annähern.
"Ziemlich beste Begegnungen"
Mit einer Filmeinspielung des querschnittgelähmten Philippe Pozzo di Borgo, dessen Erfahrungen mit seinem unkonventionellen Pflegehelfer die Vorlage für den französischen Erfolgsfilm "Ziemlich beste Freunde" bildeten, reicherte Otto Neubauer, Leiter der Akademie für Dialog und Evangelisation in Wien, seine Ausführungen am Freitagnachmittag über "Ziemlich beste Begegnungen" an: Er sei von dieser berührenden Geschichte über jemanden, der neuen Mut im Leben fasste, fasziniert gewesen und habe Kontakt mit Pozzo di Borgo aufgenommen, der ihm mittlerweile zum Freund geworden sei. Und zum Impulsgeber für die vielen Dialogabende mit prominenten Zeitgenossen, die im Rahmen der Akademie in den vergangenen Jahren stattfanden. Es gehe darum, Menschen nicht ändern zu wollen, "meet people", also: triff sie einfach absichtslos, so der Rat des Franzosen. Einzige Methode dabei sei, selbst authentisch zu sein ("I simply need to be true") und, die Sicherheit der eigenen Community, aber auch der Religion aufzugeben.
Der von der katholischen Gemeinschaft Emmanuel geprägte Neubauer setzt dies, unterstützt durch Kardinal Christoph Schönborn, in auch medial viel beachteten Brückenschlägen hin zu gläubigen, agnostischen und atheistischen Prominenten wie Robert Menasse, Gerhard Bronner, Barbara Stöckl oder Josef Hader um - nicht in Kirchenräumen, sondern an öffentlichen Orten, "wo sich die Leute wohl fühlen". In seinen Auswirkungen Aufsehen erregte etwa eine Begegnung zwischen Schönborn und dem Life-Ball-Organisator Gery Keszler bei ihm zu Hause, die zu einem Gedenkgottesdienst für Aids-Opfer im Stephansdom führte - und bis heute zu Hassbotschaften von Empörten über diese angeblich "unpassende Koalition", wie Neubauer berichtete.
Auch er selbst sei nicht frei von Vorurteilen, gestand der Theologe und Buchautor dem Auditorium, und oft habe er Skrupel, Menschen einfach anzurufen und um einen Dialog im Rahmen der Akademie zu ersuchen. Hilfreich sei ihm der nonchalante Rat des spät gläubig gewordenen linken Publizisten Günther Nenning gewesen: "Sch... dich nix!"
Als programmatisch für "ziemlich beste Begegnungen" nannte Neubauer einen Satz aus der Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils: "Alle müssen ihren Nächsten ohne Ausnahme als anderes Ich ansehen."
"Präsent sein. Wege zu qualitätsvoller Pastoral" lautete das Thema der Samstagmittag zu Ende gegangenen Österreichischen Pastoraltagung mit rund 250 teilnehmenden Fachleuten aus Seelsorge, Religionspädagogik und kirchlichen Diensten aus dem In- und Ausland. Ein Tagungsband wird die Vorträge zusammenfassen. Als Arbeitsthema der nächsten Tagung im Jänner 2024 kündigte die dann organisatorisch verantwortliche, ab März ihren Vorgänger Walter Krieger ablösende Direktorin des Österreichischen Pastoralinstitutes, Gabriele Eder-Cakl, den Bereich "Wirtschaft und Kirche" an.
Weitere Informatonen: Österreichische Pastoraltagung 2023
Siehe die KA-Dossiers zum Synodalen Prozess mehr
(ps/18.1.2023)