„Wir stehen am Anfang des Weges zu einer synodalen Kirche“
Die erste gesamt-europäische Versammlung der katholischen Kirche in Prag war ein wichtiger Schritt und eine erhellende Erfahrung. Diese Bilanz zieht die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs (KFBÖ), Angelika Ritter-Grepl, die als Online-Delegierte an der Europa-Etappe des weltweiten Synodalen Prozesse teilgenommen hat. „Es war notwendig, dass sich die Kirche aus ganz Europa versammelt. Durch die synodale Arbeitsweise wurden die unterschiedlichen Sichtweisen und Geschwindigkeit von Kirchenentwicklung in Europa sichtbar. Es gibt große Auffassungsunterschiede zwischen reformorientierten und beharrenden Kräften“, so Ritter-Grepl.
„Die Unterschiede und Spannungen sind benannt, aber natürlich noch nicht gelöst worden, dafür wäre die Zeit auch viel zu kurz gewesen. Es hat sich verdeutlicht, dass der Umbau der Kirche zu einer synodalen Kirche erst am Anfang steht. Ermutigend sind die vielen Menschen, denen es sehr am Herzen liegt, die Gemeinschaft der Kirche zu erneuern“, unterstrich die KFBÖ-Vorsitzende.
Bemerkenswert war für Ritter-Grepl, dass die Trennlinien zwischen den synodal-reformorientierten Teilnehmern und den bremsenden bis traditionalistischen Kräften überwiegend zwischen Ländergrenzen verliefen, wenig etwa zwischen Klerus – Priestern wie Bischöfen – und Laien aus den einzelnen Ländern selbst. „Auch ist deutlich geworden, dass dort, wo Fälle sexualisierter Gewalt in der Kirche offenbar wurden, die Notwendigkeit von Reformen klar erkannt worden ist.“
„Synodalität und Erneuerungswille haben sich auch in der Zusammensetzung der Delegation aus den einzelnen Ländern widergespiegelt, etwa durch einen deutlichen höheren Anteil an Frauen. Gerade in den Online-Arbeitsgruppen wurden viele Eingaben von Frauen erarbeitet und auch präsentiert. Unter all diesen Aspekten betrachtet kann ich festhalten, dass Österreichs Kirche sich auf Reformkurs gezeigt hat.“
Schlusstext wird noch redigiert
Die erste gesamt-europäische Versammlung der katholischen Kirche in Prag ging am Donnerstag mit der Verlesung des Entwurfs für ein Schlussdokument zu Ende. Der 20 Seiten lange Text soll in den kommenden Wochen von einem Redaktionsteam in eine endgültige Form gebracht werden. Bis dahin haben die teilnehmenden 39 Delegationen aus allen Teilen Europas Gelegenheit, Ergänzungs- und Formulierungsvorschläge zu machen.
In dem vorläufigen Entwurf, der nicht in schriftlicher Form verbreitet wurde, wurden sehr unterschiedliche Beiträge aus mehr als 40 Ländern zusammengetragen. Spannungen zwischen konservativen und progressiven Strömungen werden als solche offen benannt, ebenso die Verletzungen als Folge des Missbrauchsskandals. Enthalten sind auch divergierende Standpunkte zu Themen wie der Weihe von Frauen oder zur Sexualethik. Konkrete Vorschläge zur Überwindung dieser Gegensätze werden in dem Text nicht gemacht. Das Papier stellt jedoch weitgehenden Konsens darüber fest, dass die synodale Form des Beratens und Entscheidens in der Kirche weiterentwickelt werden sollte.
An der Versammlung nahmen 200 Personen vor Ort sowie 390 Online-Delegierte teil. Nun tagen bis 12. Februar die 39 Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen in Europa. Österreich war in Prag in Präsenz durch den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak, die Innsbrucker Hochschul-Rektorin und Theologin Petra Steinmair-Pösel und den Salzburger Theologen Markus Welte vertreten. Lackner nimmt nun auch am zweiten Teil der Versammlung teil. Mehrfach wurde der Wunsch geäußert, ein gesamt-europäisches kirchliches Synodalformat künftig regelmäßig zu wiederholen.
„Mit Spannungen mutig umgehen“
Steinmeir-Pösel hatte vor dem Plenum der Versammlung zu einem positiven und mutigen Umgang mit Spannungen und Konflikten in der Kirche aufgerufen. Die Sozialethikerin ortete eine Grundspannung zwischen jenen, "die fürchten, dass der synodale Prozess zu einer vollkommen anderen Kirche bzw. zur Zersplitterung oder gar Zerstörung der Kirche führen könnte", und jenen, "die sich vom synodalen Prozess eine Heilung und Erneuerung der Kirche und eine vertiefte Einheit ihrer Mitglieder erhoffen".
Diese Grundspannung setze sich fort in der Spannung zwischen jenen, die hinter dem Wunsch nach Abbau des Klerikalismus und der verstärkten Partizipation von Laien die Gefahr einer Schwächung des Priesteramts befürchten, und jenen, "die darin gerade eine Befreiung des Priestertums von einem verzerrten und letztlich nicht evangeliumsgemäßen Verständnis sehen".
Steinmair-Pösel sprach zudem von Spannungen zwischen jenen, "die mit Blick auf den Wunsch nach einer Öffnung des Evangeliums für Frauen einen Verrat an der kirchlichen Lehre sehen, und jenen, die sich davon erhoffen, dass endlich die biblische Vision einer Kirche als Leib Christi eingelöst wird". Spannungen zeigten sich auch zwischen jenen Positionen, die in einer bedingungslos willkommen heißenden Haltung gegenüber LGBTIQ-Personen, ausgedrückt zum Beispiel in einer Segnung, eine Relativierung der kirchlichen Lehre sehen, und jenen, die darin gerade die Verwirklichung der kirchlichen Sendung sehen, ausnahmslos jedem Menschen die Liebe Gottes zuzusprechen und sie zu begleiten.
Miteinander statt übereinander reden
Es gehe nun aber nicht darum, zu urteilen, ob diese Spannungen gut oder schlecht sind, so die Theologin. Es gehe vielmehr um die Frage, wie man mit diesen Spannungen umgehen soll. Eine Möglichkeit wäre, sie wieder unter den Tisch zu kehren, als ob es sie nicht gäbe. Eine andere bestünde darin, dass sich eine Seite durchsetzt, es also Gewinner und Verlierer gibt. Wieder eine andere Möglichkeit bestünde in der Gründung einer neuen Kirche.
Steinmair-Pösel zeigte sich aber überzeugt: "Die einzig synodale, katholische und nachhaltig friedensstiftende Umgangsweise ist die, dass wir tatsächlich mehr miteinander als übereinander zu reden beginnen, dass wir die jeweils andere Seite nicht abwerten, sondern die berechtigten Anliegen der anderen Person suchen und zu einem versöhnten Miteinander auf einer anderen Ebene kommen". Ergebnis könnte in Folge ein tatsächlicher Konsens sein. Das könnte aber auch die Eröffnung von "Probier-Räumen" sein, bevor es zu einer definitiven Entscheidung kommt. Ebenso könnte es aber auch zu subsidiären Lösungen kommen, so die Theologin. Ihr Fazit: "Wenn uns das gelingt, kann die Kirche tatsächlich zu einer neuen Avantgarde im Umgang mit Spannungen und Konflikten werden."
Polak: Es braucht mehr Theologie
Pastoraltheologin Polak sah in einer Zwischenbilanz eine zu starke Fokussierung auf innerkirchliche Themen. Die führe leider dazu, "dass Themen, die die Sendung der Kirche in der Welt betreffen, vergleichsweise zu kurz kommen", so Polak gegenüber „Kathpress“. Trotzdem sich sehr unterschiedliche Position sehr unvermittelt gegenüberstehen, sei der Wunsch nach einem gemeinsamen Weitergehen breit geäußert worden. Allerdings sei für viele unklar, wie die Unterscheidung vonstattengehen kann. Sie bedauerte, „dass theologische Argumentationen eine marginale bis keine Rolle spielen“.
(jop/10.2.2023)