Kaineder: Es braucht ein neues „Anreizpanorama“ für Kirche
Die Kirche muss „Profil zeigen“ und ein neues „Anreizpanorama“ schaffen, um die Menschen wieder zu gewinnen. Das unterstreicht der Präsident der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ), Ferdinand Kaineder, in einem Podcast auf „domradio.de“. Der Mensch braucht und sucht Gemeinschaft, und die Kirche kann Räume schaffen, in denen Menschen einander begegnen können und mit ihren Anliegen ein offenes Ohr finden und ihre Idee Platz finden, so Kaineder in dem am Mittwoch online gestellten Podcast aus der Reihe „Himmelklar“ des Kölner Domradios. „Zugleich muss die Kirche ihre Stimme erheben für Menschen, die man nicht mehr hört oder hören will, in der Gesellschaft wie in der Politik.“
Die Katholische Aktion sieht sich in dieser Hinsicht als Impulsgeberin und als „Avantgarde einer neuen kirchlichen Präsenz“, so der KAÖ-Präsident. In den letzten zwei bis drei Jahrzehnten hätten mehrere Bischöfe in Österreich mehr auf die sogenannten geistlichen Bewegungen („Movimenti“) gesetzt und weniger auf die Katholische Aktion und ihre vielfältige und bunte Präsenz – obwohl sie die offizielle und größte Laienorganisation ist. „Man hat sich auch ein wenig distanziert und hat uns auch weniger Ressourcen gegeben. Daher bewerben Pfarren die Katholische Aktion jetzt nicht mehr so stark oder sehen sie auch nicht mehr so sehr als Vehikel der Pastoral“, so Kaineder.
Nichtsdestotrotz sehe er derzeit eine Chance, solche Entwicklungen auch wieder umzukehren. Das Verhältnis zu den Bischöfen sei gut, „unsere Stellungnahmen werden auch wahrgenommen“. Man wolle auch die Bischöfe „wieder mehr dafür gewinnen, eigentlich auf diese bewährte Form der Katholischen Aktion zu setzen“.
Gemeinsame Reformanliegen
Ihre Reformanliegen hat die Katholische Aktion in dem vom Papst initiierten „Synodalen Prozess“ in fünf Dossiers klar formuliert: "Ökologischer Umkehr und Mitweltgerechtigkeit", "Geschlechtergerechtigkeit", "Der Weg zum Frieden", "Arbeit und soziale Fairness", "Beteiligung und Mitverantwortung". „Sie sind bei uns aus der Basis entstanden und jetzt unsere Orientierung in Richtung Zukunft“, betont der KAÖ-Präsident.
Kaineder weist dabei auf viele gemeinsame Anliegen mit den Katholiken in Deutschland hin, wie sie im dortigen Synodalen Prozess klar formuliert worden sind, allen voran die Gleichstellung der Frauen in der Kirche und mehr Mitbestimmung für Laien. „Aus meiner Sicht ist es auch bei den Bischöfen angekommen, dass die Frauenfrage wirklich das virulenteste Thema ist. Wir selbst sprechen hier von einer Art Verfassungsfehler, der der Kirche innewohnt und der darin besteht, dass die Geschlechter unterschiedlich behandelt werden. Die Geschlechterfrage ist nicht offen. Wenn der synodale Prozess nicht in einer Veränderung des Kirchenrechts mündet, dann wird das aus meiner Sicht nicht wirklich zielführend sein“, unterstreicht Kaineder.
Zu den Spannungen und Auseinandersetzungen, die den Synodalen Weg in Deutschland begleiten, sagt der KAÖ-Präsident: „Ich schätze den Synodalen Weg sehr, auch diese gedanklich klare und am synodalen Habitus festgemachte Art der Treffen und der Körpersprache, wie man zusammenkommt. Ich schätze, dass man wirklich als Netz agiert, auf Augenhöhe miteinander spricht und sich darauf einlässt.“ In Österreich habe man das bei den synodalen Beratungen von Bischöfen, Laien und weiteren Kirchenvertretern in Mariazell erlebt.
Bischofsernennung: Ortskirchen beteiligen
„Ich bin auch überzeugt, die zwei Prinzipien synodal und hierarchisch müssen in einem richtigen Verhältnis zueinander sein. Aber das synodale Prinzip ist ja 40 Jahre oder länger vernachlässigt worden. Das Netz als Netz zu sehen und synaptisch zu denken, das ist ja die Zukunft“, stellt der KAÖ-Präsident fest. Daher müssten zum Beispiel auch die Bischofsernennungen mit dem Prinzip einer Wahl und mit Transparenz verbunden sein. „Die Ortskirche kann nicht einfach dasitzen und staunend warten, was auf sie zukommt. Das muss in irgendeiner Form mit der Ortskirche unbedingt verknüpft sein“, so Kaineder. In einigen Diözesen in Deutschland und in der Schweiz gebe es dazu schon Modelle.
Weiter sagte Kaineder: „Wir sehen uns selbst im Paradigma des Gehens, also nicht in der institutionellen Sesshaftigkeit, sondern die Katholische Aktion muss eher in Anlehnung an die Ordensgemeinschaften eine prophetische Dimension der Kirche sein. Von daher sehen wir: Wenn die Kirche in 30 oder 50 Jahren Bestand haben will, dann kann das ja nicht nur auf Basis der Hierarchie geschehen, sondern das muss aus einem Netz von aktiven und begeisterten Menschen kommen.“
„Blick auf Jugend gibt Hoffnung“
Als besonders bedauerlich wertete er daher, „dass sich Leute derzeit die Kirche verlassen, die über Jahre in der Kirche engagiert waren. Sie haben sich engagiert und sind müde geworden.“ Dazu kommen hohe Austrittszahlen. Dennoch gebe es Zeichen der Hoffnung. Er sehe viele junge Menschen, die eine jesuanisch-christliche Grundorientierung leben, auch wenn sie nicht nur in der Kirche beheimatet sind. „Sie leben im Grunde das, was wir auch als Katholische Aktion anstreben: eine gemeinschaftliche Lebensform, die Stimme erheben für Benachteiligte, im liturgischen Bereich etwas tun, was neue kirchliche Präsenz in der Gesellschaft ist. Das gibt mir Hoffnung. Wenn ich auf die Jungen schau, ist mir nicht bang“, so Kaineder.
(jop/1.3.2023)