Armutskonferenz: In Schulen Chancenungleichheit verringern
Um Bildungs- und Chancengleichheit in Österreich zu erhöhen, fordert die Armutskonferenz eine flächendeckende Bildungsinvestition, die sich an sozioökonomischen Indikatoren orientiert. Notwendig sei auch ein Chancenindex, der die Bildungschancen der Schülerinnen und Schüler messe und so eine standortorientierte Schulentwicklung fördere, erklärte Diakonie-Sozialexperte Martin Schenk vom Netzwerk Armutskonferenz. Für den Erfolg von Bildung sei "ein wertschätzendes, nicht beschämendes Vorgehen" zentral, betonte Schenk in einer Aussendung.
Würde es hierzulande bereits einen Chancenindex geben, befänden sich rund 17 Prozent aller Pflichtschulen in Stufe 5 bis 7, hätten also einen "hohen" bis "sehr hohen" Unterstützungsbedarf, erläuterte Schenk. Die überwiegende Mehrheit der österreichischen Schulstandorte wäre in den sozial gut durchmischten Chancen-Index-Stufen 3 und 4.
Als positives internationales Beispiel für eine zielgerichtete Unterstützung nannte Schenk den kanadischen Chancenindex "Learning Opportunity Index (LOI)", bei dem das Familieneinkommen, Armut und die formale Bildung der Eltern hineingerechnet werden. "Die Schulen mit dem höchsten Wert haben die stärksten Herausforderungen zu bewältigen und brauchen daher die meiste Unterstützung", erklärte Schenk den Index.
Das österreichische Schulsystem delegiere aktuell sehr viele Bildungsaufgaben an die Eltern; es hänge daher viel davon ab, ob die Eltern ihre Kinder unterstützen könnten oder nicht, erklärte Schenk. Außerdem würden in Österreich die Kinder zu früh getrennt, wobei bei der Bildungsentscheidung weniger der Leistungseffekt eine Rolle spiele, sondern mehr der soziale Hintergrund. Hinzukomme, dass sich Schulen in ärmeren Vierteln mit Arbeitslosigkeit oder schwächerem ökonomischen Status ungünstig auf die Bildungschancen der Kinder auswirkten.
Es gebe zwar kein Land, in dem der soziale Hintergrund nicht über den Bildungserfolg mitentscheiden würde, jedoch gebe es Staaten, in denen der Zusammenhang schwächer oder eben stärker sei, so die Armutskonferenz. "Zur Schulentwicklung ist es zielführender, wenn sozial ähnlich zusammengesetzte Schulstandorte voneinander lernen", so das Netzwerk.
"Pilotprojekt 100 Schulen"
Als positives Beispiel aus Österreich strich Schenk das "Pilotprojekt 100 Schulen" hervor, das 100 Pflichtschulen mit großen Herausforderungen speziell fördert. Das Projekt müsse jedoch ausgebaut werden, da "selbst wenn sich das Pilotprojekt nur an Volksschulen richten würde, könnte nur jeder vierte Volksschulstandort in Österreich teilnehmen", stellte Schenk klar.
Eine gute Zukunft für alle Kinder steht auch im Zentrum der Bildungsenquete "Zu-MUTungen", die am Mittwoch in Wien stattfindet, und in deren Rahmen Schulpraktiker sowie Wissenschaftler "erfolgreiche Schulentwicklung an Schulen in schwieriger Lage" diskutieren. "ZuMUTungen" ist eine gemeinsame Veranstaltung von Armutskonferenz, "bildunggrenzenlos" und der Arbeiterkammer.
Info: Armutskonferenz
(jp/23.6.2023)