"Die Enkelkinder schauen zu und wollen Geschichten hören"
Am Sonntag, 23. Juli, wird der kirchliche "Welttag für Großeltern und Senioren“ begangen. Ein guter Anlass für die Katholische Aktion Österreich (KAÖ), über die Rolle und den besonderen Stellenwert und Dienst der Großeltern zu reflektieren. KAÖ-Präsident Ferdinand Kaineder hat persönlich als Opa von drei Enkelkindern jahrelange Erfahrung im „Opa-Sein“. Er schreibt zu diesem Anlass:
Naturerleben und Enkeltauglichkeit
Täglich werden Menschen durch wissenschaftliche Befunde über die Erhitzung der Erde und deren klimatischen Folgen, zur Abnahme der Biodiversität oder zum Ressourcenverbrauch alarmiert. Der Grundtenor lautet: Ein „Weiter so“ wie bisher kann und wird es nicht geben. Schon vor mehr als fünfzig Jahren hat der Club of Rome auf die Grenzen des Wachstums hingewiesen. Die Sinnhaftigkeit
weiteren linearen Wirtschaftswachstums ist zutiefst in Frage gestellt und konkrete Alternativen stehen zur Verfügung, um ein neues sozial-ökologisches Wirtschaften anzugehen, geprägt durch Kreislaufwirtschaft wie es die Natur vormacht. Es wird ernsthafte Anstrengungen brauchen, um die Wachstumsfrage in die Kernfrage – Wie geht Reduktion? – zu transformieren. Die Frage nach den notwendigen Begrenzungen, ob im Tourismus, im Energiebereich, in der Landwirtschaft oder im Handel und Verkehr ist zentral.
Aber was hat das mit Großeltern zu tun?
Gerade als Großeltern wird es an uns liegen, unser Leben neu in diese auf die nächste Generation ausgerichtete „Wirtschaftlichkeit“ auszurichten. War das Leben in den letzten 60 Jahren durch Wohlstandssteigerung geprägt, so werden wir um der Enkeltauglichkeit willen in eine neue Genügsamkeit, ein Verkosten des Weniger und des Wesentlichen unsere Erfüllung finden. Diese Lebenshaltungen lernen wir am besten in und an der Natur. Daher rufen wir den Omas und Opas und den großelterlichen Menschen zu: Enkelkinder und Großeltern sollen mehr absichtslose und freie Zeit gemeinsam in die Natur, beim Wandern, Spielen am Bach, dem leisen Staunen bei Naturvorgängen verbringen. Die Grundbotschaft wird dabei sein: Wenn wir die Natur und alle Lebewesen als Mitwelt betrachten, dann werden wir ein neues „Gebrauchen“ statt „Verbrauchen“ lernen.
Familiärer und gesellschaftlicher Zusammenhalt
Die Pandemie hat geoffenbart, dass gesellschaftlicher Zusammenhalt
keine Selbstverständlichkeit ist. Soziale Ungleichheiten wurden spürbarer, Nöte und Schwierigkeiten fanden oft keine Ansprechpartner und zunehmend mangelndes Vertrauen in das gesellschaftliche Miteinander machte sich breit. Zu viele Menschen mussten erleben, dass sie ganz alleine und oft in bitterer Einsamkeit leben. Die Bereitschaft, die Nöte der Benachteiligten, die Sorgen der wirtschaftlich Abgehängten und sozial an den Rand Gedrängten hat zuerst zugenommen, dann aber nachgelassen. Als unverzichtbar erlebt wurde das tragfähige soziale Netz der vielen ehrenamtlich Tätigen. Dort bot sich eine gute Möglichkeit für das Einüben solidarischen Handelns und macht den Wert gesellschaftlichen Zusammenhalts direkt erfahrbar.
Und was hat das mit Großeltern zu tun?
Als Großeltern haben wir oftmals – weil vielleicht schon in Pension – die Möglichkeit, uns ehrenamtlich in die gesellschaftlichen Tätigkeiten einzubringen. Dabei zeigen wir den Enkelkindern, die uns eigentlich immer zuschauen und von uns lernen, was sinnvoll ist und gleichzeitig auch Freude macht. Dort und da können Enkelkinder und Großeltern gemeinsam unterwegs sein wie beispielsweise in Vereinen oder beim Musizieren. Gerade auch religiös geprägte Zeiten bieten viele Möglichkeiten, sich am kirchlichen Leben zu beteiligen. Das Erzählen von tragenden Geschichten und die Zeit zum Zuhören gehört hierher. Das Ohr einer Oma oder eines Opa hat eine ganz besondere „Zuhörqualität“. Wichtig und hilfreich ist es dabei, alle digitalen Geräte beiseite zu lassen und ganz in das haptische Beziehungsgeschehen einzutreten, sozusagen Handy weg und eine Geschichte in die Mitte. Dabei geht es nicht um ein Anhäufen von Informationen oder Datenwissen, sondern um diese spannenden Erfahrungen jedes Menschen durch das Leben. Die Kinder lernen durch Erfahrung und durch erzählte Geschichten.
Wichtig wären in dem Zusammenhang auch neue Initiativen im Wohnbau und in der Wohnbaupolitik. Es bräuchte mehr Angebote – etwa von Wohnbaugenossenschaften – für adäquate gemeinsame Wohnformen wie Co-Housing bzw. Wohnen von Eltern mit Kindern und Großeltern in greifbarer Nähe.
Gastfreundschaft und Da-Sein
Das Prinzip und die Haltung der Gastfreundschaft ist eine Grundvoraussetzung für ein offenes und gelingendes Leben. Dazu gehört auch die Gastfreundschaft gegenüber dem Fremden, dem Anderen, dem Andersdenkenden, den sozial Schwachen, den Alten und Kranken, ebenso auch die Gastfreundschaft gegenüber anderen Kulturen und Religionen. Damit kann das Bewusstsein wachsen, dass wir alle gemeinsam nur Gast auf Erden sind. Gerade Kinder begegnen heute einer durchstrukturierten und durch und durch kapitalisierten Gesellschaft, in allen Lebensbereichen. Alle Abläufe werden dem Algorithmus unterworfen, das Leistungsdenken wir überall eingeimpft und der Mensch wie eine Maschine optimiert.
Das hat auch mit den Großeltern zu tun?
Den Großeltern fällt es in besonderer Weise zu, den Kindern Räume, Freiräume zu eröffnen, zugänglich zu machen, wo sie einfach da sein zu können. Eine solche Gastfreundschaft der Großeltern kennt die Zwischentöne des Lebens und rechnet mit Überraschungen, das Gemeinsame steht dabei im Vordergrund und das alles ohne Leistungsgedanken. Da sein dürfen in der kindlichen Absichtslosigkeit, manchmal auch dem „Mir ist so fad“ ausgeliefert sein dürfen. Kinder stehen heute selber im „Produktionsmodus“ und der Wechsel in den „Seins-Modus“ kann im jahrzehntelangen Erfahrungsfeld von Großeltern oder großelterlichen Menschen gut gelingen. So wächst das Staunen und die Dankbarkeit, manchmal auch das Schweigen und Dahintrödeln. Die Seelen der Kinder nehmen das Urvertrauen auf, das sie hoffentlich ein Leben lang tragend begleitet.
Die KA hat mit ihrem Forum Beziehung, Ehe und Familie einen Kompetenzpool, der auf verschiedenste Weise in den Diözesen zur Verfügung steht: www.beziehung-ehe-familie.at
(jp/17.7.2023)