Welterschöpfungstag: "Gehen wir gemeinsam in eine Art von Planetendiät“
2023 fällt der weltweite Welterschöpfungstag auf den 28. Juli. Der vor allem in den industrialisierten Ländern praktizierte Lebens- und Wirtschaftsstil verbraucht ab jetzt die zweite Erde, die wir nicht haben. Das Präsident:inneteam der Katholische Aktion Österreich mahnt Politik und die Kirche selber zur radikalen Wende. „Verlassen wir die selbstzerstörerische Sackgasse. Gehen wir gemeinsam in eine Art von Planetendiät.“
Österreich lebt bereits seit dem 6. April auf Kosten der Zukunft. Bis dahin haben wir alle Ressourcen verbraucht, die wir bis Jahresende aus Sicht der Erde zur Verfügung hätten. Katar und Luxemburg leben beispielsweise schon seit Februar über ihre Möglichkeiten. Hätten wir nicht Länder wie Jamaica, Ecuador oder Indonesien, die im Dezember beim Erschöpfungstag ankommen, wäre der Termin vor der Halbjahresgrenze. „Die Hälfte des Jahres weltweit und drei Viertel des Jahres in Österreich leben wir durch Entnahme der Zukunftsressourcen.“
Sorgenkind Verkehr
Wir haben ein besonderes Sorgenkind, den Verkehr. Tonnenschwere Autos transportieren mit extrem schlechter Energieeffizienz und unmäßigem Verbrauch fossiler Brennstoffe oft nur eine Person von A nach B. Der individuelle Autoverkehr ist zu einem Drittel Verursacher der CO2-Emmissionen. Das Auto wurde den Menschen in den letzten Jahrzehnten als „goldenes Lebens-Vehikel“ durch Werbung und Lifestyle-Medien eingepflanzt. Durch Bewusstseinsbildung, alternative Infrastruktur für Fahrrad, öffentlichen Verkehr, attraktive Fußwege und politische Steuerungsmaßnahmen dazu darf ganz ruhig eine Stimmung gegen das Auto als „Alles-Mobilität“ anwachsen. Wir wissen, dass wir damit in der Minderheit sind. Uns ist bewusst, dass die Mehrheit der Bevölkerung im „Autofokus“ lebt. Zu bedenken geben wir an diesem Tag, dass in das Auto viel zu wenig der Klimaschutz oder der enorme Bodenverbrauch, gerade in Österreich, eingepreist ist. Auch wenn das Autofahren teuer ist, so ist er in Hinblick auf das Ganze unserer Lebensgrundlage und der damit verbundenen Verbrauchprozesse immer noch zu billig. Als KAÖ haben wir daher beim letzten Präsidium einstimmig beschlossen, zumindest eine Temporeduktion auf 100/80/30 politisch durchzusetzen, damit etwa 1/4 des fossilen Verbrauches eingespart wird. Wir wissen natürlich von den Autolobbys, die genau diese Reduktion ins Lächerliche ziehen oder mit individuellem Freiheitsverlust konnotieren. Aus einer umsichtigen Mitweltethik mit dem Ziel einer neuen Mitweltgerechtigkeit folgern wir, dass jede Freiheit mit dem Ganzen zusammenhängt und bei begrenzten Ressourcen nicht einfach jede und jeder tun und lassen kann, wie es mir gerade alleine gefällt. Hier geht unser Appell vor allem an die ÖVP und die FPÖ, die zum Teil diese Thematik gegen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse und Appelle leugnen. Verlassen wir gemeinsam die selbstzerstörerische Sackgasse. Es wird so etwas wie eine Art von Planetendiät brauchen, im Großen genauso wie im Kleinen.“
Was wir als Kirche und KA tun
Im kirchlichen Bereich fordern wir (von uns selber), den 2015 behutsamen begonnenen Weg der Ressourcenschonung und alternativer Wirtschaftsformen, die der Enzyklika Laudato si entspringen und entsprechen, massiv zu verstärken. Die kircheninternen Regelungen müssen den Empfehlungscharakter verlassen und Verbindlichkeiten münden, Anreize und Finanzierungsvorteile müssen konkret realisiert, Leitlinien in einem höheren Grad direkt und schneller umgesetzt werden. Wenn 10% der Pfarren 2017 beispielsweise den Energieverbrauch um 20% gesenkt haben, dann ist das auch für 100% der Pfarren und so auch der KA-Gruppierungen möglich. Der gänzliche Ausstieg aus fossilen Energieträgern müsste eigentlich vor dem Abschluss stehen. Pfarrfeste und andere Veranstaltungen werden mit regionalen, saisonalen und biologischen Getränken und Lebensmitteln bewirtschaftet, Müllvermeidung ist selbstverständlich. Gerade die Erhöhung des Anteils an ökologischen Lebensmitteln in kirchlichen Gemeinschaftsverpflegungen und Großküchen muss umgesetzt werden mit einem Anteil von 25% vegetarischer Gerichte. Die Bewirtschaftung von kirchlichen Freiflächen muss nach ökologischen Kriterien erfolgen und Platz für natürliche Diversität sein.
Zeit der Schöpfungsverantwortung vorbereiten
Schon heute sollen mit Blick auf die „Zeit der Schöpfungsverantwortung“ von 1. September bis 4. Oktober besondere Maßnahmen der Umkehr aus der Sackgasse ins Auge gefasst werden. Gerade in dieser Zeit kann eine tiefe Auseinandersetzung mit dem Vorbild des hl Franziskus gestaltet werden. Es geht um eine neue Sensibilisierung der Bevölkerung in Richtung einer „verantwortlichen Genügsamkeit, einer dankerfüllten Betrachtung der Welt und einer besonderen Achtsamkeit gegenüber der Schwäche der Armen und der Mitwelt“. Mit John von Düffel sagen wir bewusst in eine Welt hinein, in der Verzicht tabu zu sein scheint, diese Zukunftsaussage: „In einer guten Zukunft ist das Asketische die selbstverständlichste Lebensform. Sie ist nicht genussfeindlich, sondern konsumkritisch. Sie konzentriert sich auf den Genuss des Wesentlichen.“
Kaineder startet am Welterschöpfungstag sein Pilgern am Hoch und Heilig
Bewusst am Welterschöpfungstag startet KAÖ-Präsident Ferdinand Kaineder sein 10-tägiges Pilgern am „Hoch und Heilig“-Pilgerweg in Osttirol. Dieser Pilgerweg spricht eine tiefe Sehnsucht des Menschen von heute an und lädt ein, über Berge und Grenzen nach innen zu pilgern. Stille Wege führen über Bergjoche zu heiligen, kraftspendenden Orten. „Ich mache mich wieder einmal länger auf den Weg, um frei zu werden im Kopf, um eins zu werden mit Leib und Seele, offen zu werden für Sinnzusammenhänge entlang der beeindruckenden Natur Osttirols. Mit wachen Sinnen will ich die Wunder der Schöpfung und Lebenskulturen aufnehmen und bewusst in die Einfachheit gehen, in die Genügsamkeit, Schritt für Schritt. Im Gehen am Weg leben wir hin auf Gott und lernen dabei das Schweigen, das Staunen und die Dankbarkeit.“
Der Welterschöpfungstag
Mit dem Welterschöpfungstag berechnen Experten in einem komplizierten Verfahren, wann der durchschnittliche theoretische Flächenbedarf der Menschheit etwa für Urbanisierung, Nahrungsmittelanbau und industrielle Produktion die Pufferkapazitäten der Erde übersteigt. Dabei wird die Biokapazität – alle natürlichen Ressourcen, die die Erde in dem Jahr schafft – durch den ökologischen Fußabdruck dividiert und mit 365 multipliziert. Wälder, die abgeholzt werden. Natur, die zubetoniert wird. Fischbestände, die sich nicht mehr regenerieren können. Und auch der CO2-Ausstoß wird in den ökologischen Fußabdruck mit hineingerechnet.
Mehr im KA-Dossier „Ökologische Umkehr und Mitweltgerechtigkeit“
(ps/26.7.2023)