Jungschar "entsetzt" über Aussagen Nehammers zu Kinderarmut
Die Katholische Jungschar Österreich (KJSÖ) hat Bundeskanzler Karl Nehammer aufgefordert, Kinderarmut ernst zu nehmen. "'Dann sollen sie doch Burger essen' ist blanker Zynismus", kritisierte KJSÖ-Vorsitzende Martina Erlacher den Bundeskanzler für seine Aussagen in einem Video, das seit zwei Tagen kursiert, Darin stellt der Regierungschef und ÖVP-Vorsitzende die Existenz von Kinderarmut in Österreich indirekt infrage. Als Jungschar sei man entsetzt über die Entgleisung des Bundeskanzlers, der in "weingeselliger Runde Scherze über die Ärmsten unserer Gesellschaft macht".
"Arme und sozial benachteiligte Menschen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden", so Erlacher. Stattdessen brauche es politische Entscheidungsträger, "die die Lage armutsgefährdeter Kinder ernst nehmen und keine Entscheidungen treffen, die Kindern Chancen verbauen und soziale Ungerechtigkeiten in Österreich verstärken".
Fast ein Viertel aller Armuts- und Ausgrenzungsgefährdeten sind Kinder - derzeit rund 368.000 Kinder in Österreich. Besonders stark betroffen sind Kinder und Jugendliche, die in Ein-Eltern-Haushalten leben, Familien mit mehr als drei Kindern sowie Kinder und Jugendliche, die in Haushalten ohne österreichische Staatsbürger*innenschaft aufwachsen. Deshalb fordere man die Umsetzung der Kinderrechtskonvention und wolle politische Verantwortungstragende in die Pflicht nehmen, "auf eine gerechte Verteilung in der Gesellschaft zu achten, statt nach unten zu treten", so die Katholische Jungschar, die ein Mitglied der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ) ist.
Erlacher weist zudem auf eine Studie der Katholische Jungschar hin, die unter dem Titel „Arm dran sein & arm drauf sein“ das Armutsverständnis von Kindern aufgezeigt hat. Armut heiße für Kinder „Mutterseelenallein sein“, „Ausgeliefert sein“, „Anders sein“ und „Verletzbar sein“. Fast ausnahmslos sehen Mädchen und Buben das Kinderarmutsrisiko außerhalb ihrer Gestaltungsmöglichkeiten.
Nehammer verteidigt Aussagen
In dem besagten Video, das bei einem parteiinternen Treffen entstanden ist, spricht Bundeskanzler Nehammer u.a. zu Teilzeitbeschäftigung und Kinderarmut und äußert wörtlich: "Genau so schreit man: Ein Kind in Österreich bekommt keine warme Mahlzeit." Was ihn "am meisten dabei stört", sei, dass man in Leserbriefen nirgends höre oder lese: "Was ist eigentlich mit den Eltern? Was heißt, ein Kind kriegt in Österreich keine warme Mahlzeit?" Und Nehammer fragt die Anwesenden weiter, ob sie wüssten, was die billigste warme Mahlzeit in Österreich sei - um die Antwort selbst zu geben: "Sie ist nicht gesund, aber sie ist billig: ein Hamburger bei McDonald's." 1,40 Euro koste ein Hamburger, mit Pommes dazu seien es 3,50 Euro. Weiter übte Nehammer Kritik an Frauen, die in Teilzeit arbeiten, obwohl sie keine Betreuungspflichten haben.
Die Aussagen des Kanzlers stießen auf breite Kritik; die Caritas und die evangelische Diakonie forderten ihn auf, Kinderarmut ernst zu nehmen. Nehammer selbst verteidigte seine Aussagen daraufhin in einem weiteren Video. Leistung müsse sich lohnen, dazu stehe er. „Wer davon spricht, dass es in Österreich keine warme Mahlzeit für Kinder gibt, der stellt dieses Land in ein schlechtes Licht", meinte er.
(jop/29.9.2023)