„Ihr seid Kirche im Aufbruch“
Mit einer Eucharistiefeier ist am Donnerstag in Linz das 75-Jahr-Fest der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ) eröffnet worden. Die Katholische Aktion feiert ihren 75. Geburtstag in einer Zeit des vielleicht größten Umbruchs der Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, stellte die Linzer Theologin Prof. Klara Csiszar, Teilnehmerin an der Weltbischofssynode, in ihrer Ansprache beim Gottesdienst fest. Laut Papst Franziskus ist „Synodalität der Weg, den Gott sich von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet“. Synodalität sei „die Voraussetzung für einen neuen missionarischen Aufbruch der Kirche, für einen neuen Schwung, der das ganze Volk Gottes miteinbezieht“.
Der Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl unterstrich: „Wenn die Kirche auf ihrem synodalen Weg prophetischer werden möchte, dann gilt das auch für das Laienapostolat der Katholischen Aktion.“ Das Zugehen auf die Menschen und die Gesellschaft – in der Arbeit, in der Freizeit, in den Familien – sei in den vergangenen Jahrzehnten die erste Aufgabe des Laienapostolats gewesen. Gegenwärtig drohe die „Frohe Botschaft“ des Christentums neben Leuchtreklamen, Video-Clips und Social Media-Blasen unterzugehen. „Hier ist unser erster Auftrag, dass in unserer sich schnell verändernden Welt die Frohe Botschaft lebendigt bleibt, dass wir gemeinsam Jesus in der Gesellschaft spürbar machen“, so der für die KA zuständige Referatsbischof. „Wenn wir ‚Tiefe und Weite‘ suchen, um Zukunft zu finden, dann müssen wir zu einer Kirche des Zuhörens und Verstehens werden.“
„Niemand kennt die Antwort auf die Frage, wie die Welt, wie es in Österreich aussehen wird, wenn die Katholische Aktion ihren 100. Geburtstag feiern wird. Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie die Kirche aussehen wird. Es wird sie noch geben. Das steht außer Frage“, sagte der Bischof. Die Frage nach der Zukunft der Kirche habe sich im Auf und Ab der Geschichte immer gestellt. „Neu ist unser Versuch, im Sinne der Synodalität gemeinsam unterwegs zu sein, uns gegenseitig wertschätzend“, so Krautwaschl. „Durch ein gutes Entfalten der Charismen wird das ‚Apostolat der Laien‘ weiter einen wichtigen Platz in der Kirche einnehmen. Schreiten wir gemeinsam in gegenseitiger Wertschätzung in die Zukunft!“
KAÖ-Präsident Ferdinand Kaineder begrüßte zu dem „Aufbruchsfest in synodalem Stil“ die rund 300 Gäste, namentlich die Repräsentanten aus dem Feld der Politik in Oberösterreich - Landeshauptmann Thomas Stelzer, Landesrat Stefan Kaineder, die zweite Landtagspräsidentin Sabine Binder, die Landtagsabgeordnete Renate Heitz und die Linzer Landesrätin Erika Wundsam – und die Vorsitzenden der Gliederungen der KA und der KA in den Diözesen. Anwesend bei der Messe waren neben Bischof Krautwaschl der Linzer Altbischof Maximilian Aichern und die Diözesanbischöfe Manfred Scheuer (Linz) und Josef Marketz (Klagenfurt) sowie Weihbischof Franz Scharl (Wien). Aus den Reihen der Katholischen Aktion waren neben den Präsidententrio Ferdinand Kaineder, Katharina Renner und Birgit Knell auch deren Amtsvorgänger Leopold Wimmer, Luitgard Derschmidt und Christian Friesl zugegen. Das Fest lade ein, drei Streckenabschnitte mitzugehen: die Dankbarkeit (in der Eucharistie), den Dialog miteinander und am Podium und schließlich die Lebensfreude im Konzert mit den Vierkantern, so Kaineder.
„Im guten Sinn anstrengend“
Csiszar erinnerte in ihrer Ansprache daran, dass die Katholische Aktion auch andere Töne aus Rom kenne, „Töne der Zurechtweisung, Töne des Misstrauens, statt Töne des Zuhören-Wollens, des Verstehen-Wollens und des Vertrauens“. „Ihr wart oft in eurer Geschichte vielleicht zu früh dran und habt ähnlich wie die Propheten viel aushalten müssen und Geduld lernen müssen. Doch ihr seid nicht müde geworden und kündigt – wie wir sehen, synchron zu Rom – einen Aufbruch an“, so Theologin.
Franziskus spreche bekannterweise von einem missionarischen Aufbruch der Kirche, „von einem Aufbruch, der den Blick auf die Sendung der Kirche richtet, auf die Leidenschaft Gottes für diese Welt und nicht auf die eigenen Ängste, auf die eigene Unsicherheit, auf sinkende Kirchenbeiträge, auf immer leerer werdenden Kirchen“. Csiszar: „Eine Kirche im Aufbruch, und übertragen auf euch, eine Katholische Aktion im Aufbruch, weiß um ihre Sendung.“
Im Evangelium nenne Jesus Zeichen, die der Glaube bewirkt. Er befreie „von Dämonen“, d.h. von Ängsten, und Menschen mit weniger Angst „bringen sich mehr für ein gutes Miteinander ein“. „Glaubende, die im Spirit des Miteinanders anpacken wollen, stehen heute für Mitverantwortung, für Gleichberechtigung und gleiche Würde ein“, so die Theologin.
Wenn Glaubende laut der Bibel „in neuen Sprachen reden“, meint das: Sie beschränken sich nicht auf ihr Nation, auf ihre Tradition, auf ihre Kultur oder Denkweise, sondern sind „ein Sauerteig des Miteinanders über alle Grenzen hinweg“. Csiszar: „Der neue Stil, der in der Weltkirche gerade erlernt wird, baut auf solche Menschen, die ihre eigene Position nicht absolut setzen, die sich von der Vielfalt in der Kirche, in der Gesellschaft oder in einer Gemeinschaft faszinieren lassen, Vielfalt fördern, und im guten Sinne des Wortes die Kraft und Schönheit der Katholizität entdecken.“ Der Glaube motiviere, „sich für andere Erfahrungen, Kulturen zu öffnen, aufmerksam zu bleiben, wenn Menschen ausgeschlossen werden, und die Stimme zu erheben, wenn Menschenwürde verletzt wird. Glaubende, die in neuen Sprachen sprechen, sind Wegbereiter des Friedens und Schlüsselpersonen im Aufbruch.“
Gläubige Menschen werden, so die Bibel, „Schlangen mit den Händen anfassen“, was bedeute, dass sie Bedrohungen und gefährlichen Umständen nicht ausweichen, sondern sich ihnen zu stellen und sie zu ändern versuchen. „Es geht darum, mit vielen anderen daran zu arbeiten, dass es zum Umbruch kommt, dass den Menschen und dieser Welt immer weniger Leid zugefügt wird. Glaubende, die die Schlangen mit den Händen anfassen, sind heute zum Beispiel Menschen, die gegen die existenzielle Bedrohung der einen Menschheit durch die Klimakatastrophe auftreten. Menschen, die für das gemeinsame Haus Sorge tragen, aber auch Ungleichbehandlung von Mann und Frau in der Gesellschaft, in der Kirche sehen und sich für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern einsetzen“, sagte die Theologin. Ähnliches gelte für den Umgang mit dem „Gift“ des mangelnden Vertrauens, des Misstrauens. Es gelte, „das Vertrauen nicht zu verlieren, dass in jeder Wirklichkeit eine Möglichkeit, den nächsten Schritt im Leben zu wagen, verborgen ist“.
Csisar abschließend: „Der Missionsauftrag, der uns an die Arbeit schickt, der uns über uns selbst hinausführt sowohl individuell, aber auch als Gemeinschaft, als Katholische Aktion im Aufbruch, macht uns im guten Sinne des Wortes unruhig. Ich habe in den vergangenen Tagen Personen gefragt, was fällt denn ihnen ein, wenn sie von der Katholischen Aktion hören? In einer Antwort hieß es: Sie sind, ihr seid anstrengend – im guten Sinne des Wortes. Anstrengend, weil sie, weil ihr aus der Leidenschaft zu Gott und aus der Leidenschaft zu den Menschen lebt.“
Krautwaschl: Jene, die Not leiden, nicht vergessen
Bischof Krautwaschl erinnerte daran, dass in der Zeit der Gründung der KAÖ nach dem 2. Weltkrieg Österreich in Schutt und Asche lag. Die Kirche positionierte sich im Mariazeller Manifest neu – als „freie Kirche in einer freien Gesellschaft“. Überall sei Aufbruchstimmung zu spüren gewesen. Mittlerweile habe sich das Leben in Österreich radikal verändert. „Nicht Hunger, sondern Überfluss bestimmt für die meisten Menschen den Alltag. Was auch befreiend sein kann, solange wir nicht auf jene vergessen, die in einer reichen Gesellschaft an Not leiden“, so der Bischof.
(jp/9.5.2024)