"Fair-sorgen und fair-sorgt-werden" braucht mehr Unterstützung
V.l.n.r.: Maria Langmaier (KAB Wien), Anna Wall-Strasser (KABÖ), Wasana Handapangoda (Referentin), Brigitte Aulenbacher (Referentin), Gabriele Kienesberger (KABÖ), Christoph Holbein-Munske (KAB Deutschland)
Die Forderung nach mehr finanzieller und politischer Unterstützung für Care-Arbeit ist von den Katholischen Arbeitnehmer:innen-Bewegungen aus Österreich, Deutschland und Südtirol bekräftigt worden. Die diesjährige gemeinsame FrauenSommerakademie der KAB vom 23. bis 28. Juni in St. Pölten war dem Thema "Fair-sorgen und fair-sorgt-werden" gewidmet. „Die Veranstaltung steht ganz im Zeichen der Diskussion über: Wer pflegt, wer zahlt rein, wer zahlt drauf und wer profitiert?“, teilte die KABÖ dazu in einer Presseaussendung mit. Besonders wurde bei der Tagung auch die Tatsache beleuchtet, dass in der häuslichen Pflege oft Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren zum Einsatz kommen. Diese Tatsache werde in der Öffentlichkeit viel zu wenig wahrgenommen und es gebe – gerade in Österreich - wenig Unterstützung für diese in Pflegepflichten genommenen Kinder und jungen Menschen, stellte die Arbeiterkammer-Expertin Heidemarie Staflinger in ihrem Vortrag fest.
Nicht im Blick der Öffentlichkeit sei meist auch die Tatsache, dass nur 20 Prozent der Pflege stationär im Heim geschieht. Die 80 Prozent häusliche Pflege führen zu einem Großteil Personen jenseits der 60 Jahre durch. „Ein weiterer – leider viel zu großer – Anteil wird auch von Kindern und Jugendlichen unter 18 übernommen“, so Staflinger.
Zur Verbesserung der Pflegesituation im professionellen wie im privaten Bereich brauche es – wie konkrete Daten nahelegen - eine bessere finanzielle Ausstattung, so die oberösterreichische AK-Sozialexpertin. Dafür brauche es eine Politik der vielen kleinen Schritte, Lobbying und klare Regierungsentscheidungen. „Die Teilnehmerinnen unterstreichen mit ihrem Erfahrungsschatz aus KAB, Betriebsseelsorge, Pflegetreffpunkten und Pflegeberufserfahrungen die Notwendigkeit eines vereinfachten Zugangs zu Informationen und Unterstützungsmaßnahmen“, hieß es dazu weiter in der Pressemitteilung.
Ökonomisierung der Pflege und ihre Auswirkungen
Weitere Referentinnen der Sommerakademie waren die Soziologinnen Brigitte Aulenbacher und Wasana Handapangoda von der Johannes-Kepler-Universität Linz. Sie beleuchten die tiefgreifenden Veränderungen und Herausforderungen, die mit der Kommerzialisierung von Care-Arbeit einhergehen, mit besonderem Augenmerk auf „Live-in“, besser gekannt unter 24-Stunden-Betreuung. Wenn häusliche Pflege und Sorge zu marktfähigen Dienstleistungen umgestaltet werden, verstärke dies soziale Ungleichheiten und habe Auswirkungen bis hinein in die globale Migration. Eine wettbewerbsgetriebene Ökonomisierung des Care-Sektors stehe in Konflikt zu einem Angebot bedarfsdeckender und bedarfsgerechter Sorgeleistungen und zu Ansprüchen an angemessene Arbeitsbedingungen, beides seit geraumer Zeit auch Anlass für Proteste, Streiks und Initiativen, so die Feststellung der beiden Expertinnen.
Forschungen zur häuslichen Betreuung machten deutlich, so Aulenbacher, dass das sozialpolitische Motto „häuslich vor ambulant vor stationär“ und das kulturell verankerte Ideal der familiären Betreuung in Österreich nach wie vor zentral sei, aber die Grundlagen dafür längst brüchig seien. Immer weniger Frauen könnten oder wollten die Pflege von Angehörigen übernehmen. Mobile Dienste seien aber ebenfalls nur unzureichend verfügbar. Als Reaktion auf die unzureichende Versorgungslage ebenso wie als Ausdruck neuer Lebensformen und -ansprüche bildeten sich unter Begriffen wie „Caring Communities“ alternative Sorgeformen heraus. Sie erstrecken sich auf Gemeinden, Stadtteile oder Wohnprojekte und versuchen auf ganz unterschiedliche Weise, Sorge und Sorgearbeit stärker gemeinschaftlich zu organisieren. Vielfach seien diese Projekte aber eher Programm als Realität, so Aulenbacher.
Eva Hänselmann vom Institut für Christliche Sozialwissenschaften an der Universität Münster brachte bei der Sommerakademie Zukunftsperspektiven zur Sprache, wie Alt-Werden individuell und gesamtgesellschaftlich gut gelingen kann. Um in Zukunft ältere Menschen adäquat versorgen und eine gute Qualität von Pflege und Pflegearbeit sicherstellen zu können, müssen neue Formen sektorenübergreifender Zusammenarbeit gefunden und politisch gesichert werden, unterstrich sie.
Ein Ziel der Veranstaltung, an der 40 Frauen teilnahmen, sei es gewesen, im Blick auf Care-Arbeit „gemeinsam Wege zu einer faireren Verteilung dieser essenziellen Tätigkeiten zu finden“. Die FrauenSommerakademie schaffe „nicht nur Raum für akademische und theoretische Auseinandersetzung, sondern auch für praktische Lösungsansätze und Netzwerkarbeit vor Ort“. Mit Veranstaltungen wie dieser unterstütze die KAB zudem die Bildung und Vernetzung von Frauen, um deren Rolle und Einfluss in der Gesellschaft zu stärken.
(jp, 27.6.2024)