Hiroshima-Gedenken: Kirchenvertreter:innen mahnen zur Abrüstung
Zum Gedenken an die Opfer der Atombombenabwürfe auf Hirsohima und Nagasaki vor 79 Jahren laden zahlreiche Friedensinitiativen am 6. August wieder zu einer Friedenskundgebung auf den Wiener Stephansplatz ein. Dutzende Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen haben dazu Grußbotschaften an die Veranstalter gerichtet, in denen sie zu Abrüstung, der Vernichtung aller Atomwaffen und verstärkten Friedensinitiativen aufrufen, darunter KAÖ-Vizepräsidentin Brigitte Knell, der Vorsitzende der Katholischen Aktion der Diözese Innsbruck und diözesane Pax Christi-Beauftragte, Klaus Heidegger, und der ehemalige Vorsitzende der KA Wien, Walter Rijs. An der Kundgebung am Stephansplatz wird u.a. der Vorsitzende der Katholischen Aktion Österreichs, Ferdinand Kaineder, teilnehmen. Am 6. August 1945 hatte die US-Luftwaffe eine Atombombe über der japanischen Großstadt Hiroshima abgeworfen, drei Tage später eine zweite über Nagasaki. Nach Schätzungen starben insgesamt mehr als 250.000 Menschen sofort oder teils Jahre später an Verbrennungen und Strahlenschäden.
Die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki markierten einen tragischen Wendepunkt in der Dimension unkontrollierbarer Zerstörungswut, so der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler in seiner Grußbotschaft. Den Opfern ein bleibendes Andenken zu bewahren, "liegt dabei ebenso in unserer ethischen Verantwortlichkeit wie den globalen Rüstungswettlauf endlich zu durchbrechen". Nur mit vereinten Kräften könne man den kriegstreibenden Ungerechtigkeiten von weltweitem Hunger, Unterdrückung und Ausbeutung von Ressourcen wirksam entgegentreten, so der Bischof. Glettler: "In einer Phase der zunehmenden Bedrohungen und gefährlichen Sackgassen von Hass und Vernichtung müssen wir in allen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens Räume für Dialog, Versöhnung und Begegnung öffnen - entschlossen und leidenschaftlich!"
Er danke allen, die jährlich am 6. August die schmerzvolle Botschaft von Hiroshima und Nagasaki wachhalten würden, so der Bischof weiter: "Eine friedliche und gerechte Gesellschaft lebt von einem anspruchsvollen Gedenken - und benötigt dringender denn je die aufrüttelnde Mahnung an die verheerenden Folgen nuklearer Zerstörungskraft. Deshalb laut und unmissverständlich: Atomkraft darf niemals mehr als Waffe eingesetzt werden - auch nicht im Sinne einer höchst verwerflichen Logik der Abschreckung!"
Freistetter für vertrauensbildende Maßnahmen
Militärbischof Werner Freistetter spricht in seinem Grußwort von einer "besonders beunruhigenden Entwicklung, dass die Drohung mit dem Einsatz von Nuklearwaffen in aktuellen bewaffneten Konflikten als Mittel zur Einschüchterung des militärischen Gegners und seiner Verbündeten wieder gebräuchlich geworden ist". Gerade der Krieg in der Ukraine offenbare einen besorgniserregenden Verlust jenes Vertrauens, das zwischen den ehemaligen Großmächten zur Begrenzung und Reduktion der Atomwaffenarsenale geführt hatte. Der beste Schutz vor der Bedrohung durch nukleare Waffen sei der "Aufbau wechselseitigen Vertrauens in Beachtung gemeinsamer friedensfördernder Prinzipien und Abmachungen", so Österreichs Militärbischof.
Schönborn-Kritik an Rüstungsausgaben
Kardinal Christoph Schönborn übt harsche Kritik an der steigenden Zahl einsatzbereiter atomarer Sprengsätze und den explodierenden Rüstungsausgaben. Trotz des Wissens um die katastrophalen humanitären und ökologischen Auswirkungen von Atomwaffen finde derzeit ein neues Wettrüsten satt, so Schönborn in seinem Grußwort. Die Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki hätten 1945 die katastrophalen Auswirkungen von Atomwaffen gezeigt, so der Kardinal, der kein Verständnis für "die irrsinnige Logik der atomaren Abschreckung" zeigt. "Die Drohung mit der vollständigen Vernichtung des anderen kann keine Basis für einen tragfähigen Frieden sein", betont der Kardinal und verweist auf Papst Franziskus, der die Bedrohung durch Atomwaffen als eine Situation bezeichnet, bei der "wir alle immer Verlierer" seien. "Eine Welt ohne Atomwaffen ist möglich und dringend nötig. Warum liegt dieses Ziel 79 Jahre nach den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki so weit entfernt?", fragt Schönborn.
KAÖ-Präsidentin Brigitte Knell für verstärkte Friedensarbeit
Für Brigitte Knell, Vizepräsidentin der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ), gibt es zur verstärkten Friedensarbeit keine Alternativen. "Ja, die Schaffung und der Erhalt von Frieden ist aufwendig und eine ständige Aufgabe, die uns alle fordert", so Knell in ihrem Grußwort. Es gelte, "nie aufzuhören an die Entscheidungsträger der Staaten zu appellieren, ihre Macht zu nutzen und Geschichte zu schreiben - als Architekten einer nuklearwaffenfreien Erde, die sich ihrer Verantwortung für die Zukunft bewusst ist, und dieser Technologie einen Platz in Museen und Archiven zuweist". Viele engagierte Menschen in Österreich und weltweit würden nicht nachlassen, "bis dieses Ziel erreicht ist". Knell erinnert zudem an das KAÖ-Dossier "Der Weg zum Frieden", in dem sich die Katholische Aktion intensiv mit der Friedensfrage beschäftigt hat.
Jede Kriegshandlung, die auf die Zerstörung ganzer Städte ziele, sei aus katholischer Sicht ein „Verbrechen gegen Gott und die Menschheit“, so der Vorsitzende der Katholischen Aktion der Diözese Innsbruck und Repräsentant von Pax Christi Tirol, Klaus Heidegger, angesichts der aktuellen atomaren Aufrüstung und der Rückkehr in eine Zeit des „Kalten Kriegs“. In seiner Grußbotschaft zum Hiroshima-Gedenktag erinnert Heidegger daran, dass die Katholische Kirche nukleare Abschreckung klar ablehne. Papst Franziskus spreche vom Mut zur „Weissen Fahne“ und betone etwa im Blick auf den Krieg zwischen Russland und der Ukraine, dass ein Verhandlungsfrieden „so viel besser“ sei als „ein endloser Krieg“.
Walter Rijs, ehemaliger Präsident der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien, ruft dazu auf, den Glauben an eine friedvolle, gute Menschheit aufrechtzuerhalten und daran zu arbeiten: „Wenn jede/jeder Einzelne sich in dieser Weise – zum Frieden hin - ändert, wird sich diese Welt verändern.“ Die Menschheit könne nur im Frieden überleben, so Rijs mit Verweis auf Martin Luther King und dessen Gedanken des Überwindens im miteinander Vorangehen: „Kommt alle mit, die ihr diese und alle anderen Friedens-Botschaften gelesen habt, verliert nicht den Mut, noch die Hoffnung.“
"Wahnsinn widerwärtiger Machthaber"
Der Wiener evangelische Superintendent Matthias Geist findet deutliche Worte zum Gedenktag: "Auch knapp 80 Jahre nach Kriegsende und dem Abwurf der Atombombe als Zeichen schlimmster Selbstzerstörung ist der Wahnsinn widerwärtiger politischer Machthaber nicht vorbei." Daher gehe es auch am Jahrestag von Hiroshima darum, "in aller Klarheit jeder sinnlosen und menschenverachtenden Politik entgegenzutreten und aller Gewalt in Wort und Tat Widerstand zu leisten". Geist ruft zum "mutigen Auftreten für Frieden, Klimaschutz und einen gerechten Umgang miteinander" auf. Dazu ermahne "die Erinnerung an die schreckliche Vergangenheit und das Bewusstsein von gegenwärtigen Kampfparolen, Machtallüren und roher Gewalt auf den großen und kleinen Kriegsschauplätzen dieser Welt". Er fordere in diesem Jahr erneut von allen politisch Verantwortlichen und demokratisch Gesinnten, "dass wir alle demokratiefeindlichen Kräfte gemeinsam in die Schranken weisen". Er wisse sich mit vielen Religionsvertreterinnen und -vertretern verbunden, "dass wir ein neues tragfähiges Bewusstsein für die Vielfalt in unserer Gesellschaft und auf der ganzen Welt etablieren können".
Hennefeld: Drohung mit Atomwaffen ist Terror
Für den reformierten Landessuperintendenten Thomas Hennefeld steht fest: "Im Wissen der schon damals verheerenden Auswirkungen der auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfenen Atombomben handelt jede Regierung, die Atomwaffen entwickelt, besitzt oder mit deren Einsatz droht, schlimmer als jede Terrororganisation." Durch die Kriege und Spannungen im Nahen Osten, in der Ukraine und in anderen Regionen sei die Gefahr einer noch größeren Eskalation und eines Flächenbrandes gestiegen, warnt Hennefeld. Heute stehe man an einem Punkt, "an dem Atommächte neuerlich ernsthaft über den Einsatz solcher Waffen nachdenken und offen mit deren Einsatz drohen".
Wenn es im Kampf gegen Terror und Terroristen geht, werde gerne das Bild der Zivilisation gegen die Barbarei bemüht. "Aber der Einsatz von Atombomben würde alle bisherigen Verbrechen der Menschheit in den Schatten stellen, weil dadurch die gesamte Menschheit ausgelöscht werden könnte", so der Landessuperintendent, und weiter: "Das dürfen wir als Christinnen und Christen nicht zulassen. Wir dürfen uns auch nicht daran gewöhnen, dass Atomwaffen nun einmal existieren und hoffen, dass sie nicht zum Einsatz kommen. Es sind die Atommächte dieser Welt, die die Menschheit terrorisieren und die Welt an den Rand des Abgrunds treiben."
Christinnen und Christen müssten darauf einwirken, "dass viel mehr Mittel in Konfliktprävention und gewaltfreie Konfliktlösung investiert werden, anstatt durch Waffengewalt Lösungen herbeizuführen, die wiederum in Gewalt münden".
Arsenios: Aufruf zum Friedenseinsatz
Metropolit Arsenios (Kardamakis), der Vorsitzende der Orthodoxen Bischofskonferenz in Österreich, hält in seinem Grußwort fest: "Nichts ist so sinnlos wie sich gegenseitig aus Macht- und Geldgier umzubringen, alles zu zerstören und den eigenen Lebensraum und den unserer Mitmenschen, Tiere und Pflanzen unwiederbringlich zu vernichten." Er lade alle Menschen ein, sich aktiv an Friedensprozessen im Großen und im Kleinen zu beteiligen. "Veränderungen beginnen immer bei uns selbst, in unserem unmittelbaren Umfeld. Frieden kann nur von innen kommen", so der griechisch-orthodoxe Metropolit.
Eine Vielzahl an Staaten besitze aktuell ein gewaltiges Atomwaffenarsenal, welches die Erde innerhalb kürzester Zeit vernichten könnte. Und überall auf der Welt, nicht nur in der Ukraine oder im Nahen Osten, flammten kriegerische Konflikte und Feindschaften auf, warnt der Metropolit.
Kubin: Atomwaffeneinsatz niemals gerechtfertigt
"In einer Welt, die von Konflikten und Unsicherheit geprägt ist, darf der Rüstungswahn keinen Platz haben. Waffen und Gewalt führen niemals zu wahrhaftigem Frieden." - Das betont die altkatholische Bischöfin Maria Kubin in ihrem Grußwort. Die Katastrophe von Hiroshima habe vor Augen geführt, "welche unfassbare Zerstörungskraft in den Händen der Menschheit liegt, und sie erinnert uns daran, dass der Einsatz solcher Waffen niemals gerechtfertigt sein kann".
Die Erinnerung an Hiroshima solle nicht nur mahnen, sondern auch inspirieren, "uns noch entschiedener für eine Welt einzusetzen, in der Atomwaffen keinen Platz haben. Eine Welt, in der jedes Leben als kostbar und unveräußerlich geachtet wird. Eine Welt, die auf den Prinzipien der Gerechtigkeit, des Mitgefühls und der Nächstenliebe gegründet ist."
Hiroshima-Gedenken
Die Hiroshima-Gruppe Wien, Pax Christi Wien und die Wiener Friedensbewegung laden am Dienstag, 6. August, wieder zum traditionellen Hiroshima-Gedenken. Die Friedenskundgebung beginnt um 18.30 Uhr auf dem Wiener Stephansplatz und wird um ca. 20.30 Uhr mit einem Laternenmarsch vom Stephansplatz zum Teich vor der Wiener Karlskirche abgeschlossen.
Am Freitag, 9. August, wird um 20 Uhr mit einer traditionellen buddhistischen Lichterzeremonie bei der Wiener Friedenspagode der Opfer von Hiroshima und Nagasaki gedacht (Wien 2, Hafenzufahrtsstraße). Am Tag darauf findet am 10. August von 10 bis 13 Uhr eine Gedenkaktion zu Hiroshima und Nagasaki in der Fußgängerzone in Melk vor dem Rathaus statt.
Infos: www.hiroshima.at
kathpress/red
s. auch KAÖ-Dossier "Der Weg zum Frieden" unter www.kaoe.at/dossiers
(eo, 5.8.2024)