Ferdinand Kaineder: "Wachrütteln der Gewissen"
Im laufenden Nationalratswahlkampf mehren sich die kritischen Stimmen aus dem christlichem Lager an der FPÖ. Nach dem am Vortag präsentierten sozialethischen Leitfaden "Christlich verantwortlich wählen" betonten nun auch Vertreterinnen und Vertreter des "Bündnisses Demokratie und Respekt" - einem Zusammenschluss von engagierten Bürgern und zivilgesellschaftlichen Gruppierungen -, dass "die FPÖ unwählbar ist für Christinnen und Christen". Der Gesamtbefund sei klar, so der Ökonom und Bündnis-Sprecher Stephan Schulmeister bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in Wien: "Die Weltanschauungen des Christentums und der FPÖ widersprechen sich fundamental". Unterstützt wurde das Bündnis auch von Katholisch Aktion-Präsident Ferdinand Kaineder und dem Theologen Prof. Paul M. Zulehner.
Am Foto: Ferdinand Kaineder, Monika Salzer, Stephan Schulmeister, Karl Immervoll, Michael P. Zulehner (v.l.n.r.) © KAÖ/Gabriele Kienesberger
Konkret zeigte Schulmeister die attestierte Unvereinbarkeit im Blick auf ein differierendes Grundverständnis in den Begriffen Volk, Nationalstaat, Internationalismus, Menschenrechte, Europa, Geschlechtergerechtigkeit und Klimakrise auf. Ein "völkischer Nationalismus" sei unvereinbar mit einem christlichen Begriff eines lebendigen, zukunftsoffenen Volkes, das in sich "aufnimmt, was verschieden ist", zitierte Schulmeister aus der Enzyklika "Fratelli tutti" von Papst Franziskus. Vielfalt und Durchmischung sei eine Bereicherung und lasse Neues entstehen.
Auch die Geringschätzung der universellen Menschenrechte und -würde durch rechtsextreme Parteien wie die FPÖ sei mit christlichen Positionen nicht vereinbar, erinnerte Schulmeister etwa an eine Erklärung der österreichischen Bischöfe aus dem heurigen März, in der diese die "uneingeschränkte Achtung vor der Würde jedes einzelnen Menschen" betonten. Ähnliches lasse sich auch für die anderen Bereiche wie etwa den Klimawandel verdeutlichen: Hier bleibe die FPÖ jede ernsthafte Auseinandersetzung schuldig und betreibe eine Verharmlosung der Krise, wohingegen Papst Franziskus eine "genau entgegengesetzte Position" vertrete.
Kaineder: "Wachrütteln der Gewissen"
KA-Präsident Kaineder betonte, dass es die Aufgabe der Katholische Aktion sei, an einem "Wachrütteln der Gewissen" mitzuwirken. Es brauche ein "hellwaches Bewusstsein" gegenüber jenen Kräften, "die derzeit die öffentlichen Dialogräume zertrümmern und Institutionen der liberalen Demokratie aushebeln, zerstören und für beliebig erklären".
Wählen allein sei zu wenig, brachte es Kaineder auf den Punkt: Es gehe auch darum, zu erkennen, "wer aus jesuanisch-christlicher Sicht wählbar ist und wer und welche Partei, politischen Kräfte eben nicht". Respektlosigkeit, Egoismus, Spaltung und "ein gewisser autokratischer Macht-Narzissmus" stünden jedenfalls "klar im Widerspruch zur christlichen Botschaft, ihren Werten und der katholischen Soziallehre".
Zulehner: "Mehr Gesinnung im positiven Sinn"
Für ein "bisschen mehr an Ideologie, an Gesinnung im positiven Sinn" plädierte indes der Theologe Paul M. Zulehner. "Was mir fehlt in der Politik, ist nicht ein Zuviel, sondern ein Zuwenig an Gesinnung. Bei den Christlich-Sozialen würde es mich freuen, wären sie christlich-sozialer, bei den Sozialdemokraten, wären sie mehr sozialdemokratisch". So gehe jedoch aktuell alles in "wahltaktischem Populismus" unter.
Politisch missbrauchbar sei indes jede Religion, führte Zulehner weiter aus. Darin liege die "Ambivalenz" der Religion, wie sie sich derzeit auch in Russland zeige. Im Blick auf rechtspopulistisch forcierte gesellschaftliche Spaltungstendenzen sagte Zulehner, dass dem nicht nur das Christentum, sondern letztlich die gesamte abendländische Philosophiegeschichte widerspreche, die vielmehr aus der "Einheit allen Seins" auf unbedingte Solidarität, Würde jedes Einzelnen und den Einsatz für das Gemeinwohl schließt.
Österreich als Insel der Seligen: "Da muss ich lachen"
Unterstützt wird das Bündnis Demokratie und Respekt auch von der früheren evangelischen Pfarrerin und Gründerin der "Omas gegen rechts" in Österreich, Monika Salzer. Das Christentum habe über Jahrhunderte eine enorme "gesellschaftsbindende Funktion" gehabt und alle Menschen ohne Rücksicht auf Unterschiede um den Altar versammelt. Nun stelle die FPÖ diese gesellschaftliche Integration infrage und wolle Österreich gleichermaßen zur "Festung" und zu "Insel der Seligen" umbauen. "Da muss ich lachen", so Salzer, Freiheit und Festung passe schließlich nicht zusammen.
Sie selbst engagiere sich im Übrigen als kurz nach dem Krieg Geborene, weil ihre Jugend, wie bei vielen ihrer Generation, vom "Trauma des Zweiten Weltkrieges" bestimmt war und sie nun Sorge habe, dass all das Gute, das nach dem Krieg mit der Demokratisierung der Gesellschaft geschaffen wurde, nun wieder zerfalle. "Das Christentum hält in Österreich aus gutem Grund Äquidistanz zur Parteipolitik - jetzt aber stehen die innersten Werte des Glaubens auf dem Prüfstand", so der Appell Salzers.
Auch der Theologe und Bundesseelsorger der Katholischen ArbeitnehmerInnen Bewegung Österreich (KABÖ), Karl Immervoll, sieht in den Positionen und der Wortwahl der FPÖ "rote Linien überschritten". Es sei die Zeit gekommen, "aufzustehen" gegen die Diffamierung Andersdenkender und die "menschenverachtenden" Begriffe, die die FPÖ offensiv selbst gegen höchste Repräsentanten des Staates verwende. "Ich möchte mir von meinen Kindern nicht später die Frage gefallen lassen, warum wir nichts getan haben", so Immervoll.
Kritik an FP-Wahlplakaten
Im Rahmen der Pressekonferenz äußerten die Teilnehmer auch offene Kritik an den jüngsten FP-Wahlplakaten, die u.a. mit dem an das Vaterunser anschließenden Slogan "Euer Wille geschehe" werben. Kickl spiele bewusst mit religiösen Motiven, um Menschen u.a. in stärker religiös geprägten ländlichen Regionen und aus den Reihen der Volkspartei zu erreichen, so Schulmeister. Kickl spiele dabei die religiöse Karte aus purem Machtkalkül und greife zu einem "christlichen Mäntelchen": "Man muss es klar benennen: Diese Plakate sind ein Instrument der Machtpolitik und der Lüge".
Kaineder fügte hinzu, dass er dies als Zeichen mangelnder Ernsthaftigkeit sehe. In einer "dauerlaufenden digitalen Reizwelt" sei dies nichts weiter als die "Parodie des Christlichen". Wenn man schmunzle, schaffe dies einen leichteren Zugang - dies wolle sich Kickl zu nutzen machen. Zulehner indes nahm den weiteren Plakat-Slogan "Dein Herz sagt Ja" zum Anlass, nicht dem Verstand zu fragen: "Es geht immer nur um Emotionen" - dabei brauche Demokratie und eine reife Wahlentscheidung "politische Nachdenklichkeit". Dass der FP-Obmann offenbar an einem "eigenen Kickl-Vaterunser" arbeite, zeuge indes von einem "Missbrauch der Religion eigener Art".
Positionen der christlichen Kirchen und rechtsextremen Parteien im Vergleich
Statement von Ferdinand Kaineder
Inland: Kirchliche Kritik an FPÖ-Wahlplakat - religion.ORF.at
Siehe auch Handreichung der Katholischen Sozialakademie Österreichs zur Nationalratswahl 2024 Christlich verantwortlich wählen
Quelle: kathpress/red.
(ps/29.8.2024)