St. Pölten: Diözese veröffentlicht Richtigstellung zu ORF-Beitrag
Die Diözese St. Pölten hat am Donnerstagnachmittag auf einen Beitrag des ORF-Niederösterreich reagiert, der laut Diözesanleitung "falsche Darstellungen enthält, die einer Korrektur bedürfen". So heißt es in der Erklärung der Diözese wörtlich: "Entgegen der Darstellung, dass Frauen schrittweise aus Leitungspositionen verdrängt würden, betonen wir, dass sich in der Amtszeit von Bischof Alois Schwarz der Anteil von Frauen in Leitungspositionen vervielfacht hat. Aktuell werden fünf von insgesamt 15 Abteilungen der Diözese von Frauen geleitet."
2018, vor dem Amtsantritt von Diözesanbischof Schwarz, habe es lediglich eine einzige weibliche Führungsperson gegeben. Die Hälfte des Diözesanen Wirtschaftsrates, der für das Finanzgebaren der Diözese verantwortlich ist, sei mit Frauen besetzt. Auch der Betriebsrat der Zentralangestellten der Diözese werde von einer Frau geleitet. Darüber hinaus würden Frauen mehrheitlich Verantwortung in verschiedenen Positionen übernehmen, etwa als Fachinspektorinnen, Regionalbegleiterinnen, Pastoralcoaches usw. In der Personalentwicklung werde zudem ein klarer Fokus auf die Förderung von Frauen für kirchliche Leitungspositionen gelegt, hieß es.
Die mit 15. Dezember erfolgte Gründung des öffentlichen kirchlichen Vereins "Katholische Aktion der Diözese St. Pölten" und die damit verbundenen Statuten seien "das Ergebnis gemeinsamer Gespräche, die Vertreterinnen und Vertreter sowohl der Diözese als auch der Katholischen Aktion über mehrere Monate führten, darunter Generalvikar Christoph Weiss und KA-Präsident Reinhard Länger". Die Form des kirchlichen Vereins ermögliche der KA eine stärker eigenständige Arbeit und übertrage Ehrenamtlichen explizit Verantwortung, so die Diözese in ihrer Erklärung. Eine enge Zusammenarbeit mit diözesanen Abteilungen sei weiterhin von beiden Seiten erwünscht und vorgesehen.
Im Blick auf das Katholische Bildungswerk der Diözese St. Pölten wird in der Erklärung festgehalten, dass das Bildungswerk bereits seit 2002 ein öffentlicher kirchlicher Verein sei, der von einem ehrenamtlichen Vorstand geleitet wird. In den vergangenen Monaten hätten Gespräche zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Diözese und des Vorstandes stattgefunden, "in denen die Statuten erneuert und präzisiert wurden". Diese Gespräche seien von beiden Seiten übereinstimmend als "konstruktiv" und "wertschätzend" bezeichnet und der Entwurf vom gesamten Vorstand angenommen worden. Die Vereinbarungen hinsichtlich der Serviceleistungen der Diözese für den Verein würden derzeit finalisiert. In einer Übergangsphase bis Ende Juni 2025 werde das Bildungswerk - unterstützt von diözesanen Abteilungen - die bereits vorhandene Struktur weiter ausbauen.
Zukunftsprozess der Diözese
"Der Zukunftsprozess der Diözese intendiert, die Lebendigkeit der Kirche zu stärken, mit den vorhandenen Ressourcen sorgsam umzugehen und auch neue Projekte in ihrer Vielfalt zu fördern", heißt es in der Erklärung weiter. Ein besonderes Anliegen sei es, "das Miteinander in unserer Gesellschaft zu fördern und die christlichen Werte als Fundament für ein solidarisches Zusammenleben in unserem Land zu verankern". Dementsprechend stehe die "Optimierung des Serviceangebots für die Katholikinnen und Katholiken" im Vordergrund. Der Dank der Diözesanleitung gelte allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, "die sich in diesem Prozess einbringen und Veränderungen positiv mittragen und mitgestalten". Dabei habe sich die enge Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat, mit dem die Diözesanleitung im regelmäßigen Austausch steht, bewährt, wie es heißt.
s. auch: Diözese St. Pölten
(Quelle: kathpress)
Zu den Veränderungen in der Diözese St. Pölten hatte am 18.12.2024 der ORF Niederösterreich auf seiner Homepage einen Bericht veröffentlicht. Darin hieß es:
Mit Jahreswechsel werden in der Diözese St. Pölten große Organisationen aus dem Laien- und Pastoralbereich, wie etwa die Katholische Aktion, aus der Diözesanverwaltung in einen Verein ausgelagert. Das betrifft auch die Katholische Jungschar, die jedes Jahr für die Dreikönigsaktion verantwortlich ist. „Die Diözese setzt also die Heiligen Drei Könige vor die Tür“, so ein Funktionär in einem Interview mit dem ORF Niederösterreich.
Veränderungen gibt es auch für das Katholische Bildungswerk, eine der größten Einrichtungen für Erwachsenenbildung in Niederösterreich. Grund dafür ist ein Reformprozess in der Diözese St. Pölten, der seit Sommer 2020 – mit Hilfe einer externen Beratungsfirma aus Kärnten – läuft. Das Ziel: interne Abläufe zu optimieren. Betroffene, darunter ehemalige und bestehende Mitarbeiterinnen sowie ehrenamtliche Funktionäre, erzählen aber von sehr chaotischen Zuständen, weil Pläne und Umstrukturierungen mehrmals angekündigt, teilweise aber wieder verworfen und neu gestartet wurden, so der ORF-Bericht.
Sorge um „Herzstück der Kirche“
Statt Personal und Büros gibt es für die Vereine künftig nur noch Förderungen von der Diözese, die deutlich geringer ausfallen würden als bisher, so die Kritik. Für Angela Lahmer-Hackl, die jahrzehntelang im Vorstand des Bildungswerkes der Diözese St. Pölten saß, sind diese Organisationen jedoch das „Herzstück der Kirche“, die von der Vorbereitung der Erstkommunion über die Arbeit der Jungschar bis zu Begräbnissen für die Pfarren arbeiten.
An die 40 von 100 Mitarbeiterinnen seien mittlerweile sogar freiwillig gegangen, erzählt Lahmer-Hackl, die mit Jahreswechsel den Vorstand verlässt: „Die Arbeit wird nicht geschätzt. Man weiß nicht, wenn ich heute ins Büro komme, ob meine Kollegin schon gekündigt hat oder wo mein Arbeitsplatz sein wird. Es wird niemand gekündigt, aber die Leute gehen, weil sie es nicht mehr aushalten.“
Große Hoffnung in neuen Bischof gesetzt
Dass Reformen „unvermeidlich“ sind, sei allen bewusst. Deshalb habe man auch große Hoffnung in Bischof Alois Schwarz gesetzt, als er 2018 sein Amt antrat, erinnert sich Karl Immervoll, langjähriger Betriebsrat in der Diözese und Betriebsseelsorger sowie Geistlicher Assistent der Katholischen Arbeitnehmer:innen-Bewegung Österreichs: "Dann kamen aber Reformen, die in eine ganz andere Richtung gegangen sind, und de facto wurden die Ehrenamtlichen bzw. die Laien aus den Entscheidungsstrukturen ausgeschlossen. Ich persönlich bin davon enttäuscht.“
Frauen seien etwa aus Leitungsfunktionen sukzessive verschwunden. Zudem stehe der Weg im Widerspruch zu Papst Franziskus, der Laien stärker einbinden will. Betroffene zweifeln sogar, dass überhaupt eingespart wird. „Wenn für Focus-Missionare, die Loretto-Bewegung oder Alpha-Kurse Leute angestellt oder im Verwaltungsbereich neue Posten geschaffen werden, kostet das auch Geld“, wirft Lahmer-Hackl ein, „ich denke, da wird Geld einfach umgeschichtet.“
Der ORF sprach im Zuge der Recherche mit zehn Leuten, darunter aktuelle und ehemalige Mitarbeiter:innen der Diözese, Funktionär:innen, ehrenamtliche Pfarrgemeinderät:innen, Gläubige und externe Theolog:innen. Alle beklagen „mangelnden Respekt gegenüber Laien“ und kritisieren die Art und Weise, wie der Prozess geführt wurde. Auch deshalb, weil gerade die Laien und pastoralen Gruppen die Diözese auch durch schwierige Zeiten in der Ära der Bischöfe Krenn und Küng getragen hätten.
Weniger Mitsprache für Laien
Stattdessen entwickle sich die Diözese wieder zurück, hin zu einer „Kleriker-Kirche“, sagt Lahmer-Hackl: „Die Laien, also die Nicht-Geweihten, haben immer weniger Mitspracherecht, es wird von oben herab bestimmt, der Pfarrer hat zu sagen, sehr traditionalistisch, rein männerzentriert, und Frauen werden immer weiter zurückgedrängt.“ So oder so ähnlich beschreiben alle zehn Gesprächspartner:innen die Entwicklung, doch nicht alle trauen sich darüber offen zu sprechen, zu groß sei die Angst vor Repressionen.
All das müsste ein „Alarmsignal für jede Diözesanleitung“ sein, sagt Theologe Johann Schelkshorn, Leiter des Instituts für Interkulturelle Religionsphilosophie der Universität Wien. Für ihn scheint die Reform aber vielmehr ein vorgeschobenes Argument, um die kirchenpolitische Veränderung der Diözese umzusetzen: „Es entsteht der Eindruck, dass über Strukturmaßnahmen theologische Konflikte geführt werden.“
Diese Auseinandersetzung habe in der Diözese St. Pölten bereits in den 1990er-Jahren begonnen, sagt Schelkshorn. Bis dahin sei es eine „sehr lebendige, bodenständige Diözese im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils gewesen, ohne extremistische Gruppen, sozial sehr engagiert.“ Doch unter der Ära des Wiener Erzbischof Hans Hermann Groer und der Ernennung Kurt Krenns zum Bischof der Diözese St. Pölten 1991 sei das „radikal gestoppt“ worden. In Folge „wurden extrem traditionalistische Gruppen in die Diözese geholt, die von anderen Bischöfen auch abgelehnt wurden.“
Theologe warnt vor fatalen Folgen
Auch diese neuen Bewegungen wie Focus-Missionare oder Loretto würden sich stark auf den Glauben besinnen und vom sozialen Engagement der Kirche und einer offenen Gesellschaft abkoppeln. Der Theologe warnt deshalb auch vor fatalen Folgen: „Das führt das Christentum meiner Meinung nach in eine Sackgasse bzw. eine ghettohafte Abschließung von der modernen Gesellschaft.“
Die Diözese kann diese Aussagen nicht nachvollziehen, vielmehr sei „in den letzten Jahren die Vielfalt kirchlicher Organisationen weiter gewachsen“, heißt es in einer Stellungnahme. So organisiere die Loretto-Gemeinschaft seit 2022 das „Pfingsten Mostviertel“ in Wieselburg (Bezirk Scheibbs), die Focus-Missionarinnen und -Missionare laden Studierende in Krems und St. Pölten zu Bibelrunden und Gebetsabende ein.
Diözese sieht „klare Verantwortlichkeiten“
Ziel der Umstrukturierung seien außerdem keine Einsparungen bei Personalkosten gewesen, sondern „den Service für die Gläubigen in unserer Diözese sowie die internen Abläufe zu optimieren“. Diese neue Struktur schaffe „klare Verantwortlichkeiten“ und „eröffnet der Katholischen Aktion innovative Möglichkeiten, sich dynamisch und eigenständig weiterzuentwickeln“.
Die Maßnahmen würden auch „auf eine offene Kirche und Gemeinschaft“ abzielen. Ein Schwerpunkt dieser Umstrukturierungen liege „in der gezielten Förderung von Frauen in Leitungspositionen, was die Diözese nachhaltig bereichert.“ „Ein Klima der Angst können wir nicht feststellen. Ein solches Klima wäre mit unserem christlichen Verständnis von Gemeinschaft unvereinbar“, wird festgehalten.
„Eine Kirche, die sich nicht engagiert für Gerechtigkeit und soziale Strukturen verspielt auch ihren Gehalt, wenn es um Gottesdienste und die breite Akzeptanz geht“, ist Karl Immervoll überzeugt. Nur von Gott zu reden ohne die Welt, sei zu wenig. Er sieht in der Entwicklung der Diözese nur „eine Machtfrage, weil Laien, vielleicht auch Frauen, in der Kirche ganz andere Entscheidungen treffen als Priester, oder manche Priester.“
(Quelle: ORF Niederösterreich)
(jop/19.12.2024)