"Wir bekommen die Politik, die wir verstärken"
Wortlaut eines Beitrags von KAÖ-Generalsekretärin Regina Petrik in der Rubrik „Diesseits von Gut und Böse“ der Wochenzeitung „Die Furche“, Ausgabe 3/25 vom 15. Jänner 2025:
Wir bekommen die Politik, die wir verstärken
Dass konstruktive Politikerinnen und Politiker zwar als Person geschätzt werden, doch meist nur „heftige Sager“ Aufmerksamkeit erhalten, zerstört unsere Kommunikation.
Ein Erfahrungsbericht.
Wie konnte es so weit kommen, dass Österreich womöglich von einem Kanzler Kickl regiert wird, der extrem polarisiert und der andere beschimpft? Warum ist die Kommunikation über Politik im medialen Raum emotional so aufgeladen und von Gehässigkeiten durchdrungen? Das wurde ich vergangene Woche im Rahmen der Österreichischen Pastoraltagung 2025 gefragt.
Einen Aspekt dieser vielschichtigen Frage beantwortete ich aus meinen Erfahrungen als (nunmehr ehemalige) Politikerin in der burgenländischen Landespolitik. Bei meinem Einstieg nahm ich mir fest vor: Ich bin eine Politikerin, die abseits jeglicher Polemik, vernünftig agierend, seriös und aus schließlich respektvoll allen anderen Politikerinnen und Politikern gegenüber auftritt. Meine Pressekonferenzen waren fundiert vorbereitet, ich arbeitete mich in jeden Bereich, zu dem ich eine Linie vertreten sollte, inhaltlich ein. Jeder Satz eines veröffentlichten Textes basierte auf überprüfbaren Sachgrundlagen – so, wie das von guter Politik erwartet wird. Nur: Außerhalb des Parteiapparats interessierte sich kaum jemand dafür. Ein paar lobende Worte von besonders interessierten Bürgern, überrascht anerkennende Reaktionen von Journalistinnen im Vier-Augen-Gespräch – und das war’s schon wieder. Öffentlich aufgefallen bin ich damit nicht. Nur wenige konnten meine politische Arbeit wahrnehmen.
Dann lud mein Medienreferent zu einer Pressekonferenz, in deren Untertitel stand: „Petrik attackiert Niessl“ (den damals amtierenden Landeshauptmann). Und da kamen die Journalisten aus allen Redaktionen im Burgenland, die politische Berichterstattung machten. Jetzt interessierte man sich für das, was ich zu sagen hatte!
Empörung oder Heldengeschichte
Ich lernte: Mit Seriosität wirst du als Person geachtet, aber wenige bekommen etwas von deiner Politik mit. Nicht nur auf Social Media bekam ich wenig Aufmerksamkeit für meine konstruktiven Beiträge zur Veränderung von Gesetzen und Gestaltung von Gesellschaft. Belohnt wurde vielmehr meine Empörung über andere. Sogar in der seriösen Medienlandschaft führte jeder heftige Sager eher zu einer Geschichte über meine Aktivitäten als konstruktive politische Konzepte.
Nur eine ausschließlich positive Geschichte schaffte es einmal in die Medien. Es war mein Projekt „Regina will’s wissen“, mit dem ich in unterschiedlichsten Jobs gearbeitet habe und so Erfahrungen in vielen Berufsfeldern sammelte. Aber auch hier lag das öffentliche Interesse weniger an dem, was ich aus diesen Erfahrungen in die Politik mitnahm. Es war der „Heldenstatus“, der mir verliehen wurde, weil mir keine Arbeit zu anstrengend war und ich zehn Monate von nichts anderem lebte als von geringem Einkommen und monatsweise nur von Erspartem, weil einzelne Praktika nicht bezahlt wurden. Zwischen Heldin sein und Empörung gab es wenige Möglichkeiten aufzufallen.
Als Politikerin lebst du aber davon, dass du auffällst, zumindest dann, wenn du gewählt werden willst. Zur Beantwortung der oben gestellten Frage sollte sich daher auch jede und jeder selbst fragen: Wo verstärke ich durch meine öffentlich sichtbaren Reaktionen emotional aufgeladene Kommunikation? Und wie äußere ich mich öffentlich zum Positiven, das geschieht?
Ich nehme auch von seriösen Moderatorinnen immer wieder wahr, dass es zum Grundton ihrer Berichterstattung gehört, nicht nur kritisch zu berichten, sondern auch Positives standardmäßig skeptisch zu kommentieren. So wird zu einem Gesamtbild von Politik beigetragen, das nichts mehr Zufriedenstellendes zurücklässt (Ausgenommen sind hier Medien auf Landesebene, die vom Wohlwollen des jeweiligen Landeshauptmenschen abhängig sind.) Es sind also nicht einfach „die bösen Social Media“ verantwortlich für eine zunehmend verrohende und respektlose Kommunikation. Es sind all jene, die sich öffentlich äußern und dem Seriösen und Vernünftigen keinen Raum geben, weil es zu wenig Unterhaltungswert bietet.
Aufmerksamkeit für vernünftige Positionen
Jedes Land bekommt vor allem jene Politikerinnen und Politiker, denen es Aufmerksamkeit schenkt. Wer also vernünftige, uneitle Menschen in solchen Positionen will, möge ihnen und ihrer Unaufgeregtheit im öffentlichen Raum Aufmerksamkeit schenken. Das gilt für den Journalismus genauso wie für politisch aktive NGOs und einzelne Bürgerinnen. Wer qualitätsvolle diverse Debatten will, möge nicht jede Meinungsverschiedenheit als „Streit“ oder „Krach“ betiteln. Wer inhaltliche Diskussion unterschiedlicher Positionen will, sollte positiv verstärken, wenn Politiker unterschiedlicher Parteien den Diskurs suchen, ohne einen Wettbewerb der Positionen zu befördern.
Die auf sachlicher Ebene harte, aber respektvolle Auseinandersetzung und das auf persönlicher Ebene freundliche Gespräch kann von jedem und jeder positiv verstärkt werden. Bitte aber nicht nur im Vier-Augen-Gespräch als Schulterklopfer, sondern auch im öffentlichen Diskurs, in der medialen Debatte! Dann wird sich der Diskurs wieder verschieben, und dann werden auch wieder mehr jener Menschen motiviert, in die Politik zu gehen, die sich für ein gutes Leben für alle in einer überlebensfähigen Umwelt einsetzen.
Die Autorin war von 2010 bis 2024 in der burgenländischen Landespolitik aktiv, davon neun Jahre als Landtagsabgeordnete der Grünen. Seit September 2024 ist sie Generalsekretärin der Katholischen Aktion Österreich.
(eo/5.2.2025)